Nachsuche
tatsächlich ein winziges spöttisches Lächeln um Kevins Mund. Natürlich findet er im Kofferraum noch weniger als im Wageninneren. Sieht so aus, denkt er, als hätte Berti ihn gar nicht benützt. Er drückt den Deckel leicht nach unten und der schliesst automatisch.
»Danke«, sagt er. »Jetzt, Herr Pfähler, können Sie fahren.« Was der auch mit viel Gas tut, ohne sich zu verabschieden.
Noldi rollt die Bodenmatte vorsichtig mit der Oberseite nach innen ein und nimmt sie unter den Arm. Warum dieser Blitzstart, denkt er, nachdem der Mann vorher so erschrocken ist. War der Schrecken nur gespielt? Und die Wohnungsschlüssel hat er auch mitgenommen.
Mit einem unguten Gefühl im Magen steigt er in den Lift. Dort trifft er endlich einen Bewohner an, noch dazu einen, der etwas weiß. Es ist ein älterer Herr mit grau melierten Haaren und hellen, wässrigen Augen.
»War das nicht der Tag, an dem Frau Walter gestorben ist?«, fragt er begierig, als Noldi sich erkundigt, ob ihm an jenem Dienstag etwas aufgefallen sei.
»Doch«, bestätigt Noldi.
»Da«, fährt der andere fort, »da habe ich tatsächlich etwas gesehen. Ich war unten in der Tiefgarage«, beginnt er. »Ein junger Mann kam aus dem Lift mit einem Rollcontainer. Ich glaube, er war von einer Reinigungsfirma. Er trug einen weißen Overall so in der Art, ich bin der weiße Riese, Sie wissen schon. Er schubste den Container nur so in den Lieferwagen. Dann schloss er die Tür, streckte sich, rieb sich die Hände und sagte: »Endlich Feierabend!« Ich kann mich noch ganz genau erinnern. Und wissen Sie warum? Ich habe ihn im Stillen beneidet. Er strotzte vor Energie. Und wie er sich bewegt hat, diese Leichtigkeit.«
Der alte Mann macht eine unbeholfene tänzerische Bewegung, lächelt verschmitzt und auch verschämt. »So ein Kraftmeier war ich in meinem Leben nie.«
»Und der Wagen?«, fragt Noldi. »Erinnern Sie sich an die Autonummer?«
»Nein, leider, darauf habe ich nicht geachtet. Der Wagen war jedenfalls weiß mit einer Aufschrift. Ich habe sie nicht lesen können, aber ich denke, es war das Firmenlogo. Alles ging ziemlich schnell. Der Mann stieg ein und ist im Schuss losgebraust.«
»Im Schuss losgebraust«, wiederholt Noldi bei sich.
»Würden Sie ihn wiedererkennen?«, fragt er.
»Ich denke schon«, antwortet der Alte nach kurzem Nachdenken.
Noldi notiert sich die Angaben des Herrn. Er heißt Willibald Schildknecht und wohnt im ersten Stock. Er ist Rentner.
Wohlhabender Rentner, denkt Noldi, wenn er sich hier ein Appartement leisten kann.
Wie viele Reinigungsfirmen gibt es in Weesen und Umgebung, überlegt Noldi, während er mit dem Lift zurück in den dritten Stock fährt. Wenn es der Täter war, kann er von überall gekommen sein. Zum Beispiel aus Sirnach. Zu dumm, dass sich der Herr Schildknecht nicht einmal die Anfangsziffern der Autonummer gemerkt hat. Immerhin ist es eine Spur, und er wird ihr nachgehen, egal, wie lange er dazu braucht.
Wieder oben in Bertis Wohnung, hat er weniger Glück. Die Türe steht noch offen. Er sucht an ihr vergebens nach Überresten von Klebstoff oder Papier. Er findet nichts. Die Wohnung war tatsächlich nicht versiegelt. Dieses Versäumnis haben die Kollegen nicht erwähnt. Und er, Noldi, wird nicht fragen, wer dafür verantwortlich ist. Es kommt nicht mehr darauf an. Passiert ist passiert.
Er tritt ein, schließt hinter sich ab, stellt sich in der Mitte des Wohnzimmers auf und schaut sich nachdenklich um. Wieder hat er sein Köfferchen dabei, doch es ist ihm bewusst, dass es ihm nicht mehr viel nützt, nachdem die Kollegen die Wohnung durchsucht haben. Er fragt sich, ob er vielleicht mithilfe seiner Utensilien noch herausfinden kann, worauf Kevin aus war. Wirklich die Autoschlüssel oder etwas anderes? Und hat er es gefunden? Sehr viel Unordnung hat er nicht angerichtet. Als er ging, hatte er nichts in der Hand. Also kann es kein großer Gegenstand gewesen sein. Dann etwas Kleines. Da bleibt ihm nichts anderes übrig, sagt sich Noldi resigniert, als jedes Blatt und jedes Kissen umzudrehen, unter jeden Blumentopf zu schauen.
Doch er findet nichts. Er ruft sich in Erinnerung, was er in der Polizeischule gelernt hat, wo man etwas verstecken kann. Dann denkt er, wo seine Frau ihre Geheimnisse aufbewahrt, und stellt fest, dass er keine Ahnung hat. Und Pauli? Nach dem, was seine Schwester über das Weihnachtsgeschenk gesagt hat, das der Kleine für die Eltern bastelt, muss er dieses geheimnisvolle Objekt
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