Nachsuche
Coiffeursalon hat machen lassen, wackeln leise.
Noldi schaut sie entgeistert an.
»Was ist?«, fragt er, »erkennen Sie ihn nicht?«
»Ich weiß nicht«, antwortet sie, »vielleicht ist er es, vielleicht auch nicht. Ich bin mir nicht sicher. Tut mir leid.«
»Was haben die beiden gemacht?«
»Sie sind vor der Pizzeria an der Seepromenade gestanden und haben geredet.«
»Wie?«, will Noldi wissen.
»Nicht wie ein Liebespaar, wenn Sie das meinen«, erklärt die alte Dame spitz. Dabei schaut sie Noldi von unten her an. »Sie hat geflirtet, er war eher eckig.«
»Sie sind eine großartige Beobachterin«, sagt Noldi, »aber wieso sind Sie nicht sicher, dass es der Mann auf dem Foto war?«
Hanna Egloff schaut ihn an. »Wenn ich das wüsste«, sagt sie langsam. »Ich zermartere mir schon das Hirn. Vielleicht war der Mann kleiner, irgendwie zarter.«
Noldi wechselt das Thema. »Haben Sie Frau Walter auch privat gekannt?«
»Kaum«, antwortet Hanna Egloff. »Sie hat sich in Weesen selten blicken lassen, auch in ihrem Coiffeursalon nicht.«
Dasselbe sagt die ältere Angestellte im Frisco, wo Noldi nach dem Besuch bei der alten Dame noch einmal vorbeigeht. Er trifft Elsbeth Wehrli alleine an. Wie das Notariat ist auch der Laden leer. Sie scheint erleichtert über die Ablenkung, lässt sofort einen Espresso für ihn aus der Maschine. Dann sitzt sie ihm an dem Tischchen gegenüber, spielt mit dem winzigen Löffel. Der Kaffee duftet.
»Was geschieht jetzt mit dem Geschäft?«, fragt Noldi.
Sie schüttelt den Kopf.
»Ich weiß nicht. Mariola ist noch jung. Die findet leicht wieder eine Stelle. Aber ich«, sagt sie niedergeschlagen. »In meinem Alter nimmt mich keiner mehr. Ich muss in Rente gehen.«
»Gibt es da ein finanzielles Problem?«, erkundigt Noldi sich mitfühlend.
Sie seufzt und zuckt mit den Achseln.
»Wie man es nimmt«, sagt sie, »zum Leben haben mein Mann und ich genug. Für mehr reicht es nicht. Aber das allein ist es nicht. Ich arbeite so gern. Ich halte es zu Hause nicht aus. Mein Mann hat so seine Hobbys. Der ist die meiste Zeit weg. Und ich sitze da, nutzlos, eine alte Schachtel. Es ist zum Heulen.«
Noldi wechselt in seiner Verlegenheit rasch das Thema. »Wissen Sie vielleicht, ob Berti in Weesen einen Notar hat?
»Nein«, sagt sie.
Sie weiß auch nichts über ein Testament. Berti bewahrte alle Papiere zu Hause auf. Und weder sie noch Mariola haben einen Schlüssel zur Wohnung.
Wozu, habe Berti gesagt, als sie einmal danach gefragt haben. Sie sei immer da.
»Und das war sie auch«, sagt Elsbeth Wehrli traurig, »bis sie gestorben ist.«
»Was war sie eigentlich für ein Mensch?«, erkundigt sich Noldi wieder einmal.
Elsbeth überlegt eine Weile.
»Einsam, glaube ich. Sie war nett zu uns, nicht kalt, aber man kam nicht an sie heran. Sie hat nie von sich erzählt. Nie. Auch wenn wir das eine oder andere Mal gefragt haben. Dann hat sie gelacht und gesagt, über sie gäbe es nichts zu berichten. Vielleicht war das sogar die Wahrheit. In Weesen hat sie kaum jemanden gekannt. Ihre Freunde, denke ich, hatte sie in Winterthur oder dort in der Gegend, aus der sie stammt. Und offenbar kam sie nicht oft jemand besuchen. Sie hat viel telefoniert. Auch im Geschäft. Meistens hat aber sie angerufen. Dann ging sie mit dem Handy auf die Gasse.«
13. Kalb mit zwei Köpfen
Nachdem Noldi den Coiffeursalon verlassen hat, fährt er in die Betlisstrasse, um sich Bertis Wohnung noch einmal in aller Ruhe vorzunehmen. Doch als er die Türe öffnet, steht da dieser Pfähler mitten im Raum und hält eine Gießkanne in der Hand.
»Wie kommen Sie hier herein?«, fragt Noldi völlig von den Socken.
»Ich habe einen Wohnungsschlüssel.«
»Das müssen Sie mir erklären.«
»Ganz einfach«, sagt Pfähler fröhlich. »Meine Frau hat ihn mir mitgegeben. Berti hat einen Ersatzschlüssel bei uns deponiert. Für den Fall des Falles, hat sie gemeint, und wenn sie einmal länger weg ist, sollte Cori nach den Pflanzen sehen. Jetzt hat meine Frau zu mir gesagt, wenn schon Berti tot ist, müssen ihre armen Pflanzen nicht auch noch sterben. Ich habe Bertis Wagen gebracht. Will ihn aus der Werkstatt. Ich kann da keine dummen Fragen von der Polizei wegen meiner Buchhaltung brauchen. Verstehen Sie«, sagt er, schaut Noldi offen und treuherzig an.
Fast zu treuherzig für seinen Geschmack, findet der.
Da redet Kevin bereits weiter.
»Vor allem wollte ich den Wagen zurück, den ich Berti gegeben habe für die Zeit, in der
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