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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Melodia
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ein so junger Mann gewesen sein soll. Er ist erst achtzehn.«
    »Vielleicht gehört er ja wirklich dieser Satanistensekte an, die wir festgenommen haben.«
    »Möglich. Die Leichen waren ja alle irgendwie aufgehängt, eine hatten sie sogar gekreuzigt.«
    »Wir werden’s bestimmt bald erfahren. Sarl nimmt den Jungen grad ordentlich in die Mangel.«
    »Er wird singen wie ein Vögelchen.«
    Die zwei Beamten lachen und drehen sich um, um in ihre Dienstzimmer zurückzugehen. Ich weiche ein paar Schritte zurück und suche ganz betont nach dem Automaten.
    Doch im nächsten Moment werde ich total abgelenkt. Ich sehe eine sehr vertraute Gestalt hastig das Polizeirevier verlassen. Es ist Morgan. Was hat er hier zu suchen?
    Spontan laufe ich ihm hinterher. Es ist nicht leicht, ihn einzuholen. Im Vorraum drängen sich immer noch die Reporter, und es herrscht das übliche Hin und Her. Ich kämpfe mich durch, so gut ich kann, und erreiche den Ausgang. Jetzt sehe ich ihn deutlich. Morgan läuft auf der anderen Straßenseite. Wie immer ist er dunkel gekleidet. Ich renne los und bin in wenigen Sekunden bei ihm.
    »Morgan?«
    Er wirft einen Blick über seine Schulter, ohne anzuhalten. Als er mich erkennt, drückt er sich an eine Hauswand und zieht mich an sich.
    »Komm mit«, sagt er und zerrt mich in eine Seitengasse. »Was machst du hier?«
    Er wirkt ziemlich hektisch.
    »Ich habe Naomi begleitet. Sie ist gerade dabei, Tito und seine Bande anzuzeigen.«
    »Gut.« Er weiß natürlich, dass ich vor allem wegen des gefassten Mörders hier bin. Das lese ich in seinen Augen. Sie sind dunkler heute, geradezu finster.
    »Und du?«, frage ich zurück. »Wie kommst du hierher?«
    »Das erkläre ich dir später. Ich wäre noch zu dir gekommen, Alma.«
    »Warum?« Jetzt werde ich auch nervös. Morgan benimmt sich noch undurchsichtiger als sonst.
    »Ich muss verschwinden. Nur für eine Weile, aber es muss sein. Inzwischen ist es zu gefährlich, sich in der Stadt blicken zu lassen.«
    »Und wo gehst du hin?«
    »Es tut mir leid, aber ich kann dir nicht mehr sagen, nicht jetzt. Ich verspreche dir, dass ich dich sehr bald holen komme und dir alles erkläre. Aber bis dahin bitte ich dich« – unversehens drückt er mich fest an sich –, »pass auf dich auf. Geh nachts nicht raus und halt dich unbedingt von allem fern, was mit den Morden zu tun hat. Hast du mich verstanden?«
    Er sieht mir mit einem ernsten Blick in die Augen, der sich plötzlich aufhellt und ganz weich wird. Dann nimmt er mein Gesicht zwischen seine kalten Hände und streichelt mit seinen Daumen meine Wangen. Wir sind uns sehr nah, Mund an Mund, Herz an Herz. Ich spüre unseren Atem ineinanderfließen, als seine Lippen näher kommen.
    »Ich verspreche es dir«, kann ich noch sagen. Dann küsst er mich. Dieser Kuss ist anders als unser erster. Er ist leidenschaftlich, tief, innig. Instinktiv lege ich meine Arme um seine Taille und ziehe ihn fest an mich, als wollte ich ihn nie mehr loslassen. Vielleicht ist es so.
    Ich fühle seine starke Brust. Seine Muskeln sind hart, seine Lippen gierig nach meinen. Ich bin meinen Gefühlen total ausgeliefert, völlig neuen Gefühlen, die mich fortreißen und mich benommen machen.
    »Ich muss weg«, sagt er und löst sich abrupt von mir.
    Schwankend stehe ich da und sehe ihm nach, wie er davonrennt.
    Einige Sekunden lang bleibe ich in der Gasse zurück, mit dem Rücken an eine Mauer gelehnt. Dann setze ich mich in Bewegung und laufe ihm nach. Ich vertraue ihm, aber da ist etwas, das mir nicht einleuchtet. Ich muss herausfinden, was er vor mir verbirgt.
    Morgan ist sehr schnell, und ich habe Mühe, die Distanz zwischen uns zu verringern. Beim Rennen denke ich an unseren Kuss, an seinen an mich geschmiegten Körper. Mein Herz schlägt heftig in meiner Brust.
    Ich folge ihm durch das Straßen- und Gassenlabyrinth der Altstadt. Wir durchqueren das Viertel der Nachtlokale und laufen auf das ehemalige Industriegebiet zu. Die Straße wird breiter, und es kommen verlassene Lagerhallen in Sicht, vorwiegend Zufluchtsorte für Penner und Streuner. Schaudernd muss ich an den Alten Hafen denken.
    Ich halte einen gewissen Abstand und verringere ab und zu mein Tempo, damit ich nicht entdeckt werde.
    Auf einmal bleibt Morgan vor einem Gebäude stehen. Ich verstecke mich hinter der Ecke eines Lagerhauses, kann aber von hier aus nicht viel sehen. Ich recke den Hals, so weit es geht, und kriege mit, dass er hineingeht. Ein paar Minuten warte ich, aber da er

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