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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Melodia
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Kriminalpolizei vermuten inzwischen, dass auch der Tod des Ingenieurs kein Selbstmord war.
    Tausend Nadelstiche brennen unter meiner Haut. Ich war nur einen Schritt weit von dem Mörder entfernt. Hätte ich sie doch nur gerufen, hätte ich sie doch aufgehalten …
    Ich wusste, dass sie sterben sollte.
    Und habe nichts getan, um es zu verhindern.
    Ich bin kurz vor einer Ohnmacht.
    Es ist, als würde sich meine gesamte Existenz auflösen und zu einem blutigen Fluss werden. Meine Freundinnen leben sich auseinander, meine Gewissheiten geraten ins Wanken, mein elender, öder Alltag ist zu etwas geworden, das Furcht einflößt. Ohne jeden Grund. Nur noch Chaos und Tod.
    Ich halte das nicht aus. Es ist zu viel. Irgendwie muss ich anfangen zu begreifen. Irgendwo muss es eine Erklärung geben.
    Naomi.
    Naomi und Tito.
    Das Kruzifix.
    Der Ritualmord.
    Ist das der Zusammenhang?
    Naomi will vorerst keine Anzeige erstatten, aber ich baue jetzt darauf, dass Tea mir helfen wird, Tito aufzuspüren. Die Vermutung, dass er einer Gruppe von sadistischen Irren angehört, erscheint mir mit jedem Tag plausibler. Mehrere Fakten bringen mich zu dem Schluss: Ich habe gerade an der zweiten Geschichte geschrieben, als Naomi mich anrief und den Gedankenstrom, die Kommunikation mit dem Mörder unterbrochen hat. Ich bin ihr nicht weit von dem alten Vergnügungspark zu Hilfe geeilt, dem Ort des zweiten Mordes. Die Achterbahn, das Werbeplakat, der Baum im Nordpark. Alles höherliegende Standorte.
    Welche Verbindung besteht zwischen Halle und dem Vergnügungspark?
    Ich lese den Zeitungsbericht noch einmal und bleibe an einem Namen hängen: Kommissar Sarl.
    Wenn ich gerade etwas am eigenen Leib erfahren habe, dann, dass es keine Zufälle gibt.
    Kommissar Sarl.

[home]
    Kapitel 39
    J enna um einen Gefallen zu bitten, ohne ihr einen Grund zu nennen, ist wie einen Soldaten zur Befehlsverweigerung zu überreden. Total zermürbend.
    Ich bin mir über die Auswirkungen meiner Bitte im Klaren, noch bevor ich sie ausspreche. Außerdem weiß ich, dass ich nur etwas erreiche, wenn ich mich mit untadeligem Verhalten bei ihr einschmeichele, zum Beispiel mein Zimmer aufräume, zur festgesetzten Zeit nach Hause komme und keine mürrischen Antworten gebe. Es ist nicht leicht, aber ich habe sämtliche Alternativen abgewogen und verworfen: auf dem Polizeirevier vorstellig werden und nach Kommissar Sarl, dem Verantwortlichen für die Ermittlungen, fragen wie eine Siebzehnjährige, die sich einen Kick verschaffen will, indem sie Informationen über eine Serie von grausamen Verbrechen sammelt; auf Nachrichten aus erster Hand verzichten und mich auf das verlassen, was in den Zeitungen steht; oder meine Ängste überwinden und auf eigene Faust Nachforschungen am Tatort des nächsten Mordes anstellen, obwohl ich nicht weiß, ob und wann er stattfinden wird.
    Es gibt keinen anderen Weg.
    Ich muss diesen ausnahmsweise mal günstigen Zufall nutzen, dass Jenna und Sarl sich kennen. Sie hatten sich nach dem Selbstmord von Linas und Evans Vater miteinander angefreundet. Sarl war damals noch ein einfacher Polizist. Er ging sehr freundlich und schonungsvoll mit Jenna um und half ihr durch einen der schwierigsten Momente ihres »elenden Lebens«, wie sie selbst gerne sagt. Er rief oft bei uns an, manchmal nur, um sich zu erkundigen, wie sie zurechtkam. Mit der Zeit wurden die Anrufe zwar seltener, hörten aber nie ganz auf. Eine Weile dachte ich, Sarl hätte sich in Jenna verliebt, und wenn man bedenkt, wie aufmerksam er sich um sie gekümmert hat, lag ich damit vielleicht gar nicht so falsch. Aber Jenna war nach diesem letzten Tiefschlag viel zu sehr damit beschäftigt, ihre Wunden zu lecken, um Augen für den Mann in der Uniform zu haben.
    In den darauffolgenden Jahren entwickelte sich zwischen Sarl und Jenna eine stille Freundschaft, die mit Anrufen zu Geburtstagen, seltenen Essenseinladungen und leeren Versprechungen am Leben gehalten wurde.
    Dennoch ist es eine Verbindung, bis heute. Ein Band, an dem ich versuchsweise ziehen kann. Eine Rettungsleine im Meer der Unsicherheiten, in dem ich unterzugehen drohe.
     
    Die Küchenuhr zwitschert fünf. Jenna singt in ihrem Zimmer vor sich hin und genießt ihren hochverdienten freien Tag. Bestens, denke ich, sie hat gute Laune.
    In aller Ruhe ziehe ich meine Jacke aus und hänge sie in der Diele auf. Ich gehe an Evans geschlossener Tür vorbei, spitze die Ohren, höre aber nichts. Er ist bestimmt weg.
    Links das Wohnzimmer, rechts das

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