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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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ich wahllos durch die Stapel, fand Rezepte für Kräutertränke und die Anleitung zum Bau eines Amulettes, das die Schlafenden vor üblen Träumen schützen sollte, die von der viel zu harten Arbeit in den Minen ausgelöst wurden. Doch von der Prophezeiung des Desiderius fehlte jede Spur.
    Als Nächstes nahm ich mir deshalb den Bereich hinter dem Vorhang vor. Hier hatten die Immonens sich eine Art Schlafzimmer eingerichtet, es gab mehrere Betten, einen Schrank mit mottenzerfressener Kleidung und zerbissenes Kinderspielzeug, das wohl von Ylvas kranker Seele malträtiert worden war. Der Gedanke, dass Marian und seine Schwester einmal hier gelebt hatten, schnürte mir die Kehle zu. Es musste schlimm für die Familie gewesen sein, Nacht für Nacht mitanzusehen, wie ihre kleine Tochter litt, und nichts dagegen tun zu können. Und noch schrecklicher war es wohl für Marian gewesen, nachdem der Kanzler seine Eltern hatte ermorden lassen und Ylva und das Materiophon verschleppt hatte. Plötzlich war er ganz allein gewesen in diesem trostlosen Haus. War es da noch verwunderlich, dass er zu diesem zornigen Kämpfer herangewachsen war, den ich liebte und doch nie ganz verstand?
    Ich sank auf eines der leeren, mit dem Staub von Jahren bedeckten Betten und schloss einen Moment lang die Augen. Marians Seele war nicht hier. Das wäre wohl auch zu schön gewesen. Aber was war mit der Prophezeiung? Amadé hatte schließlich hier von dem verlorenen Vers erfahren. Ich rollte mich auf die Seite und bedeutete Sieben, näher zu mir zu fliegen und unter das Bett zu leuchten. Doch dort gab es nichts als Staub und Schmutz. Auch unter dem anderen Bett wurde ich nicht fündig und ebenso wenig im Kleiderschrank. Allerdings raschelte und knisterte es im Bauch des alten Teddys, als ich ihn aufhob und auf eines der Kopfkissen setzen wollte. Das Fell des Plüschbären war abgewetzt, eines seiner gläsernen Augen fehlte und in seinem Bauch klaffte ein Loch, vermutlich von spitzen Monsterzähnen hineingebissen. Holzwolle quoll daraus hervor und tatsächlich steckte zwischen den Spänen noch etwas anderes, ein kleines Stück Pergament, sorgsam zusammengefaltet und von schnörkeligen Buchstaben bedeckt. Das Schriftstück war an den Enden ausgefranst, als habe man es vor langer Zeit irgendwo herausgerissen.
    Und wenn nicht das Mädchen den Stern bewahrt, das Herz zurückbringt, so wird die Welt vergehen durch ihre Schuld, vergehen im Reich derer, die nicht mehr sind, stand darauf. Die Weissagung des Desiderius schwarz auf weiß lesen zu können, machte mich schwindelig. Es stimmte also, was Amadé gesagt hatte, jedes einzelne Wort. Die Prophezeiung schien tatsächlich mir die Übergriffe des Nichts in die Schuhe zu schieben. Bloß warum? Vorsichtig steckte ich den Pergamentfetzen in die Innentasche meines Mantels. Dann machte ich mich daran, den Bären genauer unter die Lupe zu nehmen und seine Füllung auf dem Fußboden zu verteilen. Vielleicht schlummerten ja noch weitere Teile der Prophezeiung in seinem Innern? Vielleicht hatten Marian und Amadé etwas übersehen? Ich suchte und suchte, riss mir mehrere Splitter unter die Fingernägel, als ich die Späne durchwühlte. Doch einen zweiten Zettel fand ich nicht.
    Dafür knarrte wenig später die Eingangstür und ein eisiger Luftzug brachte den Vorhang in Bewegung. Ich ließ den Teddy sinken und kehrte zurück in den vorderen Teil der Hütte, wo bereits jemand auf mich wartete. Allerdings war es nicht Marian und auch kein anderer Kämpfer des Grauen Bundes. Es war nicht einmal ein Mensch.
    »Äh, hallo«, sagte ich. »Was machst du denn hier?«
    Der Mantikor setzte vorsichtig eine Löwentatze vor die andere, als er näher trat. Gerade so, als fürchte er sich, etwas zu berühren, vielleicht aus Versehen einen Stuhl zu verrücken. »Das Gleiche könnte ich dich auch fragen«, schnurrte er. Sein Skorpionschwanz ragte bedrohlich hinter ihm auf. »Deine Leute sind heute Nacht ganz schön rege.«
    »Wir suchen nach Marians Seele. Mein Vater und der Großmeister glauben, dass er irgendwie nach Eisenheim zurückgekehrt sein muss«, erklärte ich ihm. »Danke übrigens für die Koordinaten.«
    »Welche Koordinaten?«, fragte der Mantikor und lächelte ein Katzenlächeln. »Ich mische mich niemals in das ein, was geschieht. Und dein Marian ist nicht hier.«
    »Ich weiß.«
    »Natürlich weißt du das.« Sein Blick hing an meiner Manteltasche, in der ich den Pergamentfetzen aufbewahrte. »Es ist schon

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