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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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wie ich es bei der Queen im Fernsehen gesehen hatte: sehr sparsam und mit der Handfläche zu mir, sodass sich die Zuschauer aussuchen konnten, ob ich sie mit dieser Geste grüßte oder ihnen einen Hinweis auf ihren Geisteszustand lieferte. Dabei ließ ich den Blick über die Menge schweifen. Wie ich bereits vorhin vermutet hatte, waren nur die reichsten Bürger der Stadt gekommen, diejenigen, für die die Nichtsbewegungen lediglich ein interessantes Gesprächsthema beim Abendessen waren und die nun schon wieder nach einer neuen Sensation gierten. Die Damen trugen Pelzmäntel und elegante Hüte, die Männer Seidenschals und Zylinder, in den Mündern Pfeifen, aus denen würziger Qualm in die Dunkelheit hinaufstieg.
    »Meine verehrten Untertanen«, begann mein Vater in diesem Moment und strahlte dabei wie ein kleiner Junge. »Es freut mich ungemein, Ihnen heute mit dem Unter-dem-Meer- Aquarium einen wunderbaren neuen Ort in unserer geliebten Schattenstadt vorstellen zu dürfen. Doch hören wir zunächst einige Grußworte der Prinzessin.«
    Der Ellbogen des Eisernen Kanzlers traf mich in der Seite und ich stolperte unsicher einen Schritt nach vorne. Bloß, was sollte ich sagen? Ich biss mir auf die Unterlippe.
    Das Publikum sah erwartungsvoll zu mir herauf.
    »Äh, hallo«, sagte ich deshalb erst einmal, weil so etwas ja wohl nie verkehrt war.
    Ein Raunen ging durch die Menge.
    »Äh, ich freue mich auch, zumindest ein bisschen …«
    Die Leute tuschelten miteinander.
    »Man versteht Sie dort unten nicht. Sie müssten schon ein wenig lauter sprechen, Prinzessin«, flötete der Kanzler mir ins Ohr.
    Ich räusperte mich. »Hallo zusammen«, versuchte ich es erneut und tatsächlich wurden die Zuschauer still. »Ich freue mich auch, dass wir nun dieses tolle Aquarium haben. Es ist wirklich … ziemlich, äh, schön. Mein Vater hier hatte die Idee dazu, weil schöne Dinge einen ja bekanntlich von den blöden ablenken.« Meine Schultern strafften sich und meine Stimme wurde mit jedem Wort lauter, die Wandernden auf dem Platz hingen förmlich an meinen Lippen, als ich weitersprach. »Ich meine, ich bin mir ziemlich sicher, dass so was nur in einem gewissen Maße funktioniert. Das Nichts hat in den vergangenen Wochen einiges angerichtet, was Eisenheim in seinen Grundfesten erschüttert hat. Auch wenn viele von Ihnen nicht unmittelbar von den Auswirkungen betroffen waren, so haben wir doch alle gespürt, in welcher Gefahr sich die Schattenwelt befindet, und spüren es noch. Der Ascheregen, die Erdbeben, diese Dinge sind nicht nur höchst ungewöhnlich, sie sind bisher nie da gewesen und deshalb so beunruhigend. Ich finde, wir sollten nicht länger tatenlos zusehen, sondern –«
    »Komm zum Aquarium zurück, Flora. Sofort!«, raunte mein Vater mir ins andere Ohr. Ein drohender Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen.
    Ich nickte unmerklich. »Ich finde, dieses Aquarium kann ein Zeichen dafür sein, dass wir uns nicht unterkriegen lassen, auch wenn unsere Welt verrücktspielt. Allerdings sollten wir nicht den Fehler machen zu glauben, dass dieses Gebäude hier all unsere Probleme lösen kann. Es kann uns ablenken, aber es wird das Nichts nicht aufhalten. Es wird nichts und niemanden aufhalten und deshalb –«
    Ich wollte noch weitersprechen, doch in diesem Augenblick legte sich eine Hand auf meinen Rücken. Dürre Finger bohrten sich schmerzhaft zwischen meine Rippen.
    »Was ist denn nun schon wieder?«, zischte ich und fuhr herum.
    Der Kanzler sah mir direkt in die Augen. Ich erschrak, weil ich nicht damit gerechnet hatte, sein Gesicht so nah vor meinem vorzufinden. Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen, doch er sagte nichts. Er versenkte seinen Blick in meinen, gerade lange genug, um eine schreckliche Ahnung in mir aufkommen zu lassen. Ich hatte keinen Schimmer, was er plante, aber eines war plötzlich glasklar: Er hatte etwas vor. Etwas, das ihn in Hochstimmung versetzte und für mich wohl eher das Gegenteil bedeutete …
    Der Druck seiner Fingerspitzen verstärkte sich. Er versetzte mir einen Stoß, sodass ich auf die Brüstung zutaumelte. Wollte der Kanzler mich etwa vom Balkon stürzen? Hier, vor all diesen Menschen und in Anwesenheit meines Vaters? Andererseits hatte wohl kaum jemand die Hand des Kanzlers in meinem Rücken bemerkt, vielleicht nicht einmal der Fürst, der mir einen zornigen, aber vor allem ungeduldigen Blick zuwarf, weil ich nicht weitersprach. Es würde wie ein Unfall aussehen.
    Ich seufzte,

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