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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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hervor und kroch näher an das Tongefäß heran, aus dem noch immer ein feiner Rauchfaden emporstieg. »Geister«, wisperte er. Seine runzligen Lippen zitterten. Dann sah er mich so plötzlich an, dass ich erschrocken einen Schritt zurückmachte. Mein Rücken stieß gegen eine Wand aus Fell. »Ein Stern und ein Mädchen«, nuschelte er. Seine Augen wirkten mit einem Mal so riesig! Sein Gesicht schien aus nichts anderem zu bestehen. »Ein Stern.« Er hob eine Hand und ballte sie zur Faust. »Und ein Mädchen.« Nun deutete er mit seinem schmutzigen Fingernagel auf meine Brust.
    Mein Herzschlag beschleunigte sich. Würde ich nun endlich erfahren, was es mit der Prophezeiung auf sich hatte?
    »Ja, genau. Ein Stern und ein Mädchen, deren Seelen verbunden … Wissen Sie noch, wie es weiterging?«
    »Stern!«, rief Desiderius von einer Sekunde zur nächsten zornig. »Mädchen! Du!« Er sprang auf die Füße, wollte sich anscheinend auf mich stürzen, doch seine Beine, die es nicht mehr gewohnt waren, sein Gewicht zu tragen, knickten unter ihm ein. Im letzten Moment fing Fluvius, der selbst schon genug Mühe hatte, das Gleichgewicht zu halten, seinen Freund auf. Gemeinsam fielen die beiden in den stinkenden Haufen aus Fellen und Lumpen.
    Ich wollte mich vorbeugen, um den beiden Männern aufzuhelfen, als Amadés dunkle Stimme plötzlich schräg hinter mir ertönte: »Und wenn nicht das Mädchen den Stern bewahrt, das Herz zurückbringt, so wird die Welt vergehen durch ihre Schuld, vergehen im Reich derer, die nicht mehr sind.«
    Was? Ich wirbelte herum. »Was sagst du da?«
    Amadé hob herausfordernd die Brauen. »Nichts. Das ist bloß ein weiterer Teil der Prophezeiung.«
    Mein Blick suchte die kleine Hütte ab. Hatte Amadé das gerade irgendwo abgelesen? »Woher …?«, stammelte ich. »Was weißt du darüber?«
    »Nicht viel, deshalb bin ich hier. Genau wie Marian«, sagte sie, schob mich unsanft zur Seite und machte sich daran, ihren Vater und den verwirrten Gelehrten zu stützen. »Kommt schon, bewegt euch«, zischte sie. »Wir müssen zurück zum Schiff.«
    Ich presste die Kiefer aufeinander. Was hatte das alles zu bedeuten? Wieso kannte Amadé einen weiteren Teil der Prophezeiung? Was wusste sie? Woher wusste sie es? Und was, verdammt noch mal, hatte Marian mit der ganzen Sache zu tun? Schwindel stieg in mir auf, so viele Fragen kreiselten mal wieder in meinem Kopf durcheinander. Doch vorerst blieb mir nichts anderes übrig, als hinter dem Großmeister, Desiderius und Amadé die Stufen des Tempels hinunterzuklettern.
     
    Als wir die Nebelkönigin erreichten, war Marian überraschenderweise schon dort. Er machte sich an der Außenhaut des Schiffes zu schaffen.
    »Das Schätzchen hat bei unserem Landeanflug ganz schön was abbekommen«, rief er uns entgegen. »Hoffentlich ist sie noch fahrtüchtig.«
    Schon der Gedanke, vielleicht für immer in dieser Geisterstadt festzusitzen, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Es würde sicher nicht lange dauern, bis sie uns ebenso wahnsinnig machen würde wie den armen Desiderius. Bei mir hatte das Nichts ja anscheinend schon damit angefangen, indem es mich diese grauenhaften Wesen sehen ließ.
    Amadé führte den verrückten Gelehrten ins Innere der Nebelkönigin, während Fluvius Grindeaut die Schäden in Augenschein nahm und nebenbei einen Flachmann leerte. Seiner angespannten Miene und dem erneuten Alkoholkonsum nach zu urteilen, stand es wohl wirklich nicht allzu gut um unser Schiff.
    »Können wir noch zurück?«, platzte ich heraus, als er seinen Rundgang um die Nebelkönigin beendet hatte.
    Der Großmeister wiegte nachdenklich den Kopf hin und her. »Ich weiß es nicht«, gab er zu. »Es käme auf den Versuch an.«
    Diese Einschätzung der Lage war nicht gerade erbaulich. Das Nichts war schließlich vor allem für seine Gnadenlosigkeit bekannt, Versuche und Fehler konnte man sich da nicht erlauben. Dennoch einigten wir uns darauf, erst einmal an Bord zu gehen. Fluvius Grindeaut würde die Nebelkönigin den Berg hinauf und danach schrittweise und sehr vorsichtig in das Nichts hineinlenken. Sobald wir den Gipfel erreicht hatten, sollte Marian in einem dieser Taucheranzüge, die der Großmeister erfunden hatte, hinaus ins Nichts gehen und von außen nach Lecks suchen.
    Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus, als sich das Schiff wenig später in Bewegung setzte. Fürs Erste stiegen wir immer weiter in die Höhe, bis wir das Gebirge überquert

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