Nacht der Begierde (Geraldine Guthrie) (German Edition)
Callahan kann man sich da nicht sicher sein. Manchmal handelt er sehr unüberlegt und nur aus dem Gedanken heraus, dass er ein Recht dazu hat."
"Er erschien mir voller Wut, gestern, bei der Ratsversammlung.", sagte Geraldine.
Thorne lächelte. "Nun, das ist unser Problem, im allgemeinen. Wir werden leicht zornig. Aber du hast recht, Callahan ist besonders dickköpfig. Er wird nicht so leicht von seinem Gefühl lassen."
Uracha setzte sich zu ihnen. Sie stellte ein Brett vor sich, auf dem ein dickes Stück Fleisch lag. Dieses begann sie mit einem Messer in Scheiben zu schneiden. "Jetzt muss Geraldine aber erstmal etwas essen. Das Rührei ist ja schon fast wieder kalt und dann muss sie noch von meiner eingelegten Truthahnbrust probieren. Die mache ich nach einem alten Familienrezept."
Tatsächlich hatte Geraldine es bisher nur geschafft, sich ein Toast zu schmieren und ein wenig von der Köstlichkeit, die auf den Tellern lag, auf ihren eigenen zu schaufeln. Jetzt, als sie den ersten Bissen nahm, merkte sie erst, wie hungrig sie war. Rasch hatte sie die Eier verputzt und die Hälfte der Truthahnbrust, die tatsächlich außerordentlich lecker war. Uracha erklärte, dass sie diese einlege, erst in rohem Zustand und dann noch einmal im gebratenen Zustand.
Schließlich lehnte sie sich zurück und sagte: "Tausend Dank! Das hat gut getan."
Die alte Frau nickte. "Urbano glaubt, dass der Vampirfluch und sein eigener Bann sehr viel Kraft verbrauchen. Du wirst wohl immer mit einem großen Appetit leben müssen."
"Solange ich darüber nicht dick werde!"
Uracha lächelte. "Dick zu sein ist gar nicht so schlecht. Heute bedauere ich, dass ich so dürr bin. In meinem Alter spürt man jeden Knochen, vor allem, wenn man sich schlafen legt."
Geraldine wollte gerade etwas entgegnen, als Iaron und Mutter der Bären die Küche betraten. Callahan begleitete sie. Sein braungebranntes Gesicht war ärgerlich verdüstert und seine Lippen bebten verhalten.
"Du gehst jetzt sofort.", wandte sich Iaron an Callahan.
Er beachtete ihn gar nicht und ging an ihm vorbei zum Küchentisch, auf Geraldine zu. "Wenn es nach mir gegangen wäre, wärst du längst tot. Es ist bedauerlich, dass unser Rudelführer", dieses Wort spuckte er fast aus, "so schwächlich ist. Ich hätte meine Entscheidung durchgesetzt."
"Weil du deine Entscheidungen nur durchgesetzt hast, hat sich dann Rudel gegen dich gewandt. Stell nicht als Verdienst hin, was deine Schwäche ist.", fuhr Iaron ihn an.
Callahans Lippen kräuselten sich ironisch. Geraldine, die ihn scharf beobachtete, hatte allerdings das Gefühl, dass diese Mimik gespielt war, nur ein weiterer Schachzug in einem Plan, den sich der gekränkte Werwolf zurechtgelegt hatte.
"Oh ja, natürlich. Der kleine Bruder, der Weltenbummler und Intellektuelle. Wie konnte ich das vergessen? Dein Ungehorsam …"
Iaron wurde über und über rot. Einen kurzen Moment lang schimmerte seine wölfische Natur so deutlich in seinem menschlichen Antlitz, dass Geraldine das Gefühl bekam, er würde sich gleich verwandeln.
"Ich diskutiere mit dir nicht mehr darüber. Auch hier hast du deine Grenzen eindeutig überschritten. Und nun verschwinde, sonst werde ich eigenhändig dafür sorgen, dass du aus dem Rudel vollständig verstoßen wirst und kein anderes Rudel zwischen Miami und Anchorage dich aufnimmt. Bist du von diesem Grundstück nicht innerhalb von zwei Minuten verschwunden, sehe ich das als Kampfansage."
Callahan starrte Iaron einen Augenblick lang an, dann drehte er sich um und verließ die Küche. Gleich darauf hörten sie ein reißendes Geräusch, Stoff, der durch eine enorme Macht in Stücke gerissen wurde.
Iaron setzte sich an den Küchentisch. "Dieser Idiot hat sich doch tatsächlich verwandelt. Dann wird er seinen Wagen wohl stehen lassen müssen."
"Wird er uns nicht dazwischen funken?", wollte Geraldine wissen.
Iaron schüttelte den Kopf. "Das ist unwahrscheinlich. Callahan hasst die Vampire genauso wie jeder andere Werwolf. Und selbst wenn er die Absicht dazu hat, und daran zweifle ich keine Minute, wird er sich nicht in einen so gefährlichen Kampf einmischen und zwischen die Fronten stellen. Er ist ein gefährlicher Krieger, doch das wäre glatter Selbstmord. Vampire denken nicht sonderlich strategisch. Ein Bündnis gilt ihnen gar nichts und sie könnten ihn trotzdem angreifen und töten. Wir haben den Vorteil, vom Haus geschützt zu werden."
Geraldine nickte leicht. Nach und nach begriff sie die
Weitere Kostenlose Bücher