Nacht der Dämonin / Magischer Thriller
der Adresse der Gang vorbeifahren und war froh, dass ich es getan hatte, denn der Umweg offenbarte mir, dass zunächst eine kleine Einkaufstour anstand.
Der Taxifahrer empfahl Bal Harbour Shops, und die Empfehlung war gut. Ebenso gut war, dass ich nicht meine eigene Kreditkarte verwenden musste.
Unter normalen Umständen hätte sich meine sparsame Seite zu Wort gemeldet, aber ich war immer noch in Hochstimmung, nachdem ich mit dem Magier, der Hexe und dem Troll fertig geworden war, und demgemäß auch in der richtigen Laune, um mich zu belohnen. Und nachdem der Test nicht gerade das Kinderspiel gewesen war, das Benicio mir versprochen hatte, hatte ich auch kein schlechtes Gewissen dabei, sein Geld auszugeben.
Ein zweites Taxi setzte mich vor meiner Wohnung ab. Der Fahrer hatte mich beim ersten Wort als Touristin erkannt und sofort versucht, die längstmögliche Strecke zu fahren. Ich kannte mich in Miami vielleicht nicht aus, aber
den
Trick erkannte ich nach den ersten beiden Häuserblocks, und so scheuchte ich ihn zurück auf die direkte Route.
Unterwegs staunte ich über eine Abrissbirne, die sich durch eine Reihe tadellos aussehender Einfamilienhäuser fraß – großer Häuser, geradezu luxuriös, aber eben doch einzelne Häuser auf wertvollen Grundstücken, die hundertmal so viele Bewohner in Luxuswohnblocks beherbergen konnten. Ein einziger Blick auf die Silhouette von Miami mit ihren Kränen und den Skeletten neu entstehender Hochhäuser hätte selbst dem unerfahrensten Besucher mitgeteilt, dass dies eine Stadt in Bewegung war. Raus mit dem Alten, rein mit dem Neuen!
Mein Appartement war neu, jedenfalls nach meinen Maßstäben; nach denen von Miami war es möglicherweise auch nur noch ein paar Jahre von der Abrissbirne entfernt. Es entsprach nicht gerade meinem Geschmack – klein, aseptisch und kalt, in Weiß-, Grau- und Schwarztönen gestrichen und mit kargen modernen Möbeln ausgestattet. Aber es lag in einer modischen Wohngegend in South Beach, und für ein Mädchen wie Faith Edmonds war die richtige Lage alles, was zählte.
Ich hatte gerade noch genug Zeit, um mich umzuziehen und ein paar Anrufe zu erledigen.
Der erste galt meinem Herausgeber. Benicio hatte mir Einzelheiten über einen Werwolfkult in Fort Lauderdale geliefert, den ich mir angeblich näher ansehen sollte und bei dem möglicherweise ein Zusammenhang mit dem Mord bestand. Seine Leute würden mir genug Material liefern, dass ich einen Artikel schreiben konnte. Er hatte auf meinen Namen ein Zimmer in einem Hotel in Fort Lauderdale gebucht, die Anrufe auf mein Handy umleiten lassen und sogar eine junge Kabalenangestellte beauftragt, täglich in dem Hotel aufzutauchen, um mir ein Alibi zu verschaffen.
Normalerweise gehört »Ich bin wegen einer Story nach Florida geflogen« nicht zu den Dingen, die man seinem Herausgeber am Telefon mitteilt – nicht, wenn man nicht vorher um Erlaubnis gebeten hat. Aber ich hatte ein gutes Verhältnis zu meinem Boss. Ich mochte meinen Job, machte ihn mit ganzem Einsatz und hatte nicht die Absicht, beim ersten Angebot von einer seriöseren Zeitung auf und davon zu gehen. In der Welt des Boulevardjournalismus wurde ich dadurch zu einer Kandidatin für die Angestellte des Jahres.
Selbstverständlich machte mich mein Herausgeber zur Schnecke. Dann wurde aus »Mach, dass du wieder herkommst« ein »Na schön, aber das machst du auf eigene Kosten, Adams«. Gegen Ende des Gesprächs waren wir bei »Heb die Quittungen auf! Aber wenn ich eine Rechnung vom Hilton kriege, bist du ein Jahr lang zum Fahnenlesen abgestellt.«
Der nächste Anruf fiel mir zehnmal schwerer. Ich hasse es, meine Mutter zu belügen, obwohl ich es nicht gerade zum ersten Mal tat. Wir hatten uns stets nahegestanden, wir redeten immer noch jeden Tag zwanzig Minuten miteinander und sahen uns ein-, zweimal pro Woche, aber es gab Tage, an denen ich mir vorkam wie eine Schwindlerin, die den Platz des jüngsten Kindes meiner Mutter eingenommen hatte. Es gab einfach zu viel, das ich nicht mit ihr teilen konnte.
Sie wusste nicht, dass sie eine Halbdämonin zur Tochter hatte. Sie wusste nicht, dass derlei existierte. Ich war mir nicht sicher, ob ihr auch nur klar war, dass ihr Ex-Ehemann nicht mein biologischer Vater war. Meine Eltern hatten sich um die Zeit meiner Zeugung getrennt, und alle Welt, mein Dad eingeschlossen, glaubte, ich sei sein Kind. Hatte meine Mutter eine Trennungsschmerzaffäre gehabt und sie geheim gehalten? Oder hatte
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