Nacht der Füchse
gemeint?«
»Nun ja«, erwiderte Munro, »wir haben es gern, wenn unsere weiblichen Agenten eine Art Offiziersrang besitzen. Theore tisch kann das vorteilhaft sein, wenn man in feindliche Hände fällt.«
»Praktisch nützt es gar nichts«, schaltete sich Martineau ein.
»Wie dem auch sei, Sie sind jetzt jedenfalls Flight Offizier im Frauenhilfskorps der Air Force«, erklärte Munro. »Sie sind hoffentlich damit einverstanden. Jetzt wollen wir uns die Landkarte anschauen.«
Alle standen auf und gingen zu dem Tisch, auf dem mehrere Karten im großen Maßstab lagen; sie vermittelten einen Über blick über Südengland, den Ärmelkanal und den Bereich der Kanalinseln, der Normandie und der Bretagne.
»In den flotten Filmen, die in Elstree gedreht werden, landen unsere mutigen Geheimagenten meistens mit dem Fallschirm in Frankreich. In Wirklichkeit setzen wir die Leute nach Mög lichkeit mit dem Flugzeug ab.«
»Verstehe«, sagte sie.
»Dabei ist uns die Lysander am liebsten. Seit neuestem flie
gen die Piloten sogar allein und können daher bis zu drei Pas sagiere mitnehmen. Sie gehören zu einer Sonder-Staffel in Hornley. Nicht weit von hier.«
»Wie lange dauert der Flug?«
»Anderthalb Stunden, vielleicht weniger, je nach Wind. Landung in der Nähe von Granville. Widerständler aus der Stadt werden sich um euch kümmern. Meistens sind die frühen Morgenstunden am geeignetsten. Vier oder fünf Uhr.«
»Und was dann?«
»Am Abend des gleichen Tages verlassen Sie Granville und fahren mit dem Schiff nach Jersey. Die meisten Konvois legen jetzt nachts ab. Weil wir während des Tages die Luftüberle genheit haben.« Er wandte sich an Martineau. »Natürlich muss Standartenführer Max Vogel die Überfahrt noch arrangieren, aber ich kann mir nichts anderes vorstellen, als dass die Leute kopflos im Kreis herumlaufen, wenn du deine Vollmacht vor zeigst.«
Martineau nickte. »Wären in Schwierigkeiten, wenn sie es nicht täten.«
»Was deinen Kontakt zu Mrs. de Ville und General Gallag her angeht, nun, da wird Sarah für dich sprechen.«
»Und Kelso?«
»Das überlasse ich ganz dir, mein Junge. Du bist der Offizier im Felde. Was immer du entscheidest, ich stehe dazu. Du weißt, wie kritisch die Lage ist.«
»Begriffen.«
Munro hob das Telefon ab, das neben ihm stand. »Sie kön
nen jetzt Mrs. Moon hereinschicken.« Er legte auf und sagte zu Sarah: »Mrs. Moon ist ein Glücksfall für uns. Alexander Korda hat sie uns aus den Denham-Studios ausgeliehen. Sie weiß alles über Make-up, Kleidung und so weiter.«
Hilda Moon war eine große dicke Frau, die Cockney-Dialekt sprach. Ihr Äußeres war nicht gerade Vertrauen einflößend, ihr Haar war rot gefärbt und an den Wurzeln schon dunkel nach gewachsen, und sie hatte zu dick Lippenstift aufgetragen. Im Mundwinkel baumelte eine Zigarette und verstreute Asche auf dem massigen Busen.
»Ja.« Sie nickte und ging um Sarah herum. »Sehr hübsch.
Natürlich muss ich das Haar verändern.«
»Meinen Sie wirklich?«, fragte Sarah besorgt.
»Mädchen, die sich so durchs Leben schlagen, wie Sie es in dieser Rolle tun, tragen das Haar immer vorn.
Sie leben davon, Männern zu gefallen – mit anderen Worten, Sie müssen Ihre natürlichen Vorzüge zur Geltung bringen. Ver lassen Sie sich auf mich, ich weiß, was gut für Sie ist.«
Sie nahm Sarah am Arm und führte sie aus der Bibliothek. Als die Tür sich hinter ihr schloss, sagte Martineau: »Wahr scheinlich werden wir sie gar nicht wieder erkennen.«
»Natürlich nicht«, sagte Munro, »aber schließlich ist das ja der Zweck der Übung, oder?«
Am frühen Abend klingelte in Gallaghers Haus das Telefon. Er arbeitete gerade am Küchentisch an der Buchführung des Gutes und meldete sich sofort.
»Hier Savary, General. Das Paket, über das wir gesprochen haben…«
»Ja.«
»Mein Kontaktmann in Granville hat sich mit der Hauptver waltung in Verbindung gesetzt. Sieht so aus, als würde späte stens Donnerstag jemand zu Ihnen kommen, um Ihnen den benötigten Rat zu geben.«
»Sind Sie sicher?«
»Absolut.«
Am anderen Ende wurde aufgelegt. Gallagher schaute nach denklich ins Leere, zog schließlich seine alte Kordjacke an und ging zum De-Ville-Anwesen hinauf. Helen und Mrs. Vibert waren in der Küche mit der Vorbereitung des Abendessens beschäftigt. Die alte Frau wohnte nicht auf dem Hof, sondern zusammen mit einer Nichte und ihrer jungen Tochter weiter unten an der Straße in einem
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