Nacht der Füchse
zog den Reiß verschluss auf dem Rücken zu. »Ihr Busen wird auf jeden Fall betont, Liebes. Sieht sehr gut aus.«
»Ich weiß nicht recht. Ich kann kaum atmen.« Sarah zog ein Paar hochhackige Schuhe an und betrachtete sich im Spiegel. Sie musste kichern. »Wie eine Dirne, schrecklich!«
»Nun ja, genau darauf wollen wir ja hinaus, Schätzchen. Ge hen Sie rüber, mal sehen, was der Brigadier dazu meint.«
Sarah kehrte in die Bibliothek zurück. Munro und Carter un terhielten sich leise vor dem Kamin. »Niemand hat mir gesagt, wie ich heißen soll«, bemerkte Sarah.
»Anne-Marie Latour«, antwortete Carter automatisch und hob erst dann den Blick. »Mein Gott!«, rief er.
Munro reagierte viel positiver. »Gefällt mir. Sehr sogar.« Sa rah drehte sich vor ihm im Kreis. »Ja, Sie werden Anklang finden im deutschen Offiziersclub in St. Helier.«
»Oder bei der Army und Navy in London, würde ich mei
nen«, bemerkte Carter leichthin.
Die Tür ging auf, und Martineau trat ein. Sarah stemmte die Hände in die Hüften und wirbelte zu ihm herum. »Na?«
»Na was?«
»Ach, Sie sind unmöglich!« Sarah war so aufgebracht, dass sie mit dem Fuß aufstampfte. »Sie sind der irritierendste Mann, der mir je begegnet ist. Gibt’s hier in der Nähe ein Dorf mit einer Kneipe?«
»Ja.«
»Führen Sie mich auf einen Drink aus?«
»Einfach so?«
»Soll das heißen, ich sehe nicht hübsch genug aus?«
»In Wirklichkeit übertreffen Sie alle Bemühungen von Mrs. Moon. Mädchen, Sie könnten keine Dirne sein, selbst wenn Sie’s versuchten. Draußen in der Vorhalle in einer Viertelstun de.« Er machte kehrt und ging wieder.
Im Dorf fand ein Frühlingsfest statt, das wohltätigen Zwecken diente. Stände und kleine Bühnen erhoben sich auf dem Dorf platz, zwei altmodische Karussells waren aufgebaut. Sarah trug einen Mantel über dem Kleid und hatte sich bei Martineau un tergehakt. Offensichtlich fand sie es amüsant, sich durch die lärmende, gut gelaunte Menge zu schieben.
Plötzlich standen sie vor einem Zelt mit dem Schild Wahr sagerei – Zigeuner-Sara. »Sara ohne ›h‹«, sagte sie. »Das müs sen wir ausprobieren.«
»Meinetwegen«, sagte er und ließ sich mitziehen.
Die Frau im Zelt verzichtete überraschenderweise auf das übliche Zigeuner-Beiwerk; sie kam ohne Halstuch und Ohrrin ge aus. Sie war etwa vierzig Jahre alt, trug ein flottes Gabardine-Kostüm und hatte ein bleiches Gesicht und gepflegtes schwarzes Haar. Sie ergriff die Hand des Mädchens. »Nur Sie, meine Dame, oder Ihr Gentleman auch?«
»Aber er ist nicht mein Gentleman.«
»Er wird nie jemand anderem gehören, niemals eine andere Frau kennen.«
Sarah atmete tief durch, als versuche sie, sich zu sammeln. Martineau sagte: »Jetzt wollen wir aber die guten Nachrich ten.«
Die Frau reichte Sarah einen Stapel Tarotkarten, verschränk te die Hände über Sarahs Fingern, mischte mehrmals die Kar ten und zog schließlich drei heraus.
Die erste zeigte den Mut, eine junge Frau, die furchtlos das Maul eines Löwen festhielt. »Es besteht die Möglichkeit, einen wichtigen Plan in die Tat umzusetzen, wenn man bereit ist, Risiken einzugehen«, sagte die Zigeuner-Sara.
Die nächste Karte zeigte den Stern, ein nacktes Mädchen, das an einem Teich kniete. »Ich sehe Feuer und Wasser, die sich miteinander vermengen. Ein Widerspruch – und doch überstehen Sie beides unverletzt.«
Sarah wandte sich an Martineau. »Das hatte ich schon letzten Monat in Cromwell. Brandbomben auf die Schwesternquartie re, und überall Wasser aus den Löschschläuchen.«
Die dritte Karte war der Gehenkte. Die Frau sagte: »Er wird sich nicht verändern, mag er auch noch so lange im Baum hän gen. Er kann das Spiegelbild nicht verändern, so sehr er es auch fürchtet. Sie müssen allein reisen. Widrige Umstände werden stets Ihre Stärke sein. Liebe finden Sie nur, indem Sie sie ergreifen, das ist die Lektion, die Sie lernen müssen.«
Sarah sagte zu Martineau: »Jetzt Sie.«
Die Wahrsagerin sammelte die Karten ein. »Dem Herrn kann ich leider nichts sagen, was er nicht bereits wüsste.«
»Das Beste, was ich seit den Brüdern Grimm gehört habe.« Martineau schob eine Pfundnote über den Tisch und stand auf. »Gehen wir.«
»Sind Sie böse?«, fragte Sarah, als sie sich in Richtung Dorfkneipe langsam durch die Menge schoben.
»Warum sollte ich?«
»Es war doch nur ein Spaß. Nichts, was man ernst nehmen müsste.«
»Ich nehme nun mal alles
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