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Nacht der gefangenen Träume

Nacht der gefangenen Träume

Titel: Nacht der gefangenen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Michaelis
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Minuten Dienstschluss. Der tut keinem weh, wenn er hier schläft.«
    »Warte mal!«, murmelte ihr Kollege. »Irgendwas stimmt da nicht.« Er kniete sich hin und entrollte den Teppich ein wenig. »Das ist noch ein Kind!«, sagte er. »He, guck dir das an! Siehst du sein T-Shirt? Hier oben, wo das Cape etwas offen ist? Gelbgrün gestreift. Suchen wir nicht einen Jungen mit genau so einem T-Shirt?«
    Jetzt kniete sie neben ihm. »Wahnsinn. Tatsächlich. Das ist er.« Sie kramte in ihrer Jacke, fand eine Nummer, fand ein Handy … »Welche Nummer wähle ich jetzt? Hier gibt es zwei: eine ist mobil, die andere Festnetz.«
    »Versuch’s zuerst mit dem Festnetz«, sagte der andere Polizist.
    »Moment. Da meldet sich der AB einer Schule … jetzt piept was … blöde Rufumleitung … Ja? Hallo? Wir haben den Jungen hier, den sie suchen … in der Sparkasse. Er schläft ziemlich fest.«
    Doch Frederic schlief nicht mehr. Er war hellwach, wenn auch verwirrt, setzte sich auf und schüttelte den Teppich ab. Sprang auf. Er hatte von Änna geträumt. Und jetzt standen zwei Polizisten vor ihm, ein Mann und eine Frau. Wo war er? Die Frau starrte ihr Handy an.
    »Zufälle gibt’s!«, sagte sie. »Er sitzt in einem Restaurant eine Straße weiter. Er ist gleich da. War sehr glücklich, dass wir den Kleinen gefunden haben.«
    »Das glaube ich dir. Da kommt er schon.« Der andere Beamte zeigte auf den Marktplatz, über den eine hagere Gestalt sich mit raschen Schritten näherte. Und endlich, endlich war Frederic klar genug, um zu begreifen. Erst als er halbherzig versuchte, sich loszureißen, wurde ihm bewusst, dass der Polizist ihn festhielt.
    »Wer ist der Mann überhaupt?«, fragte der seine Kollegin.
    »Sein Vater«, sagte sie. Und Frederic war beinahe froh. Vielleicht war es doch besser, zu Hause im Warmen zu übernachten und es noch einmal mit Hendrik zu versuchen. Noch einmal alles richtig und ausführlich zu erklären. Vielleicht mit Lisas Hilfe. Vielleicht hätte er das gleich tun sollen. Er stopfte die Decke zurück in den Schulrucksack. Heute würde er sie nicht mehr brauchen. Er würde in seinem eigenen Bett weiterschlafen.
    Die Tür der Sparkasse wurde von außen aufgerissen.
    »Hendrik«, wollte Frederic sagen. Doch er verschluckte sich an dem Wort.
    Wer da ins künstliche Neonröhrenlicht trat, war nicht Hendrik. Es war Bork Bruhns. Und er lächelte ein eisiges, triumphierend bezahntes Lächeln, als er Frederics Arm ergriff.

9. Kapitel
    Krska seesn
    »Du?«
    »Hmmm?«
    »Meinst du, wir sollten aufhören mit der Geschichte? Es ist so unheimlich. Wenn du alles aufschreibst, erinnere ich mich wieder daran, und dann ist es, als würde ich es noch einmal erleben. Ich sehe wieder all diese Sachen … und ich habe wieder Angst …«
    »Das ist immer so. Jedes Mal, wenn man eine Geschichte liest, passiert sie noch einmal. Nur wenn man sie oft genug liest, hat man keine Angst mehr dabei.«
    »Trotzdem. Erst muss man sich trauen, sie wieder zu erleben.«
    »Ich soll also aufhören?«
    »Ich denke … ja.«
    »Aber wir sind schon mittendrin! Wenn wir jetzt aufhören, bleibt die Geschichte halb erlebt. Und nichts kann gut werden.«
    Frederic schweigt lange, kaut an der berühmten Unterlippe; schweigt noch länger.
    Im Schweigen ist er immer noch groß, genau wie sein Vater.
    Schließlich seufzt er tief. »Okay«, sagt er. »Von mir aus. Schreib weiter.«
    Bruhns war stark, trotz seiner hageren Statur: viel stärker, als Frederic gedacht hatte. Oder vielleicht kannte er auch nur die richtigen Tricks. Er drehte Frederic einen Arm auf den Rücken und beförderte ihn hinten in ein großes silbernes Auto. Ein engmaschiges Gitter und ein dickes Sicherheitsglas trennten die Rückbank und den Fahrer; trennten Frederic von Bruhns.
    »Lassen Sie mich raus!«, schrie Frederic. »Sie können mich nicht einfach mitnehmen! Halten Sie an! Aaaaaanhalten!«
    Er trommelte mit den Fäusten gegen die vergitterte Scheibe, bis seine Fäuste wehtaten. Doch Bruhns drehte sich nicht einmal um. Vermutlich hörte er nichts durch das Sicherheitsglas. Vermutlich war es genau zu diesem Zweck dort eingebaut. Transportierte Bruhns häufiger aufrührerische Schüler hinten in seinem Auto? Eine grausige Vorstellung. Frederic schrie sich heiser.
    »Sie – Sie werden das noch bereuen!«
    Ach ja?, schien Bruhns’ ungerührter Rücken zu sagen. Ich glaube eigentlich nicht.
    Schließlich gab Frederic auf und saß still wie ein erschöpfter Hund. Und wie ein

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