Nacht der Geister
Nicht für Jaime.«
Er sah zu den Schlüsseln in meiner Hand hin. Ich schloss die Finger fester darum.
»Glaub mir«, sagte ich, »ich wünsche mir mindestens so sehr wie du, hinter ihr herzujagen, aber solange du die Schlüssel nicht hast und ich nicht Motorrad fahren kann, sind wir ziemlich sicher. Wohin wollten sie? Bleiben sie lange weg?«
»Sie wollten nur in die Videothek und ein paar Lebensmittel besorgen, sie müssten jeden Moment zurück sein.« Er ging aus dem Schuppen ins Freie und sah die Einfahrt entlang. »Vielleicht rufe ich sie besser an «
»Gute Idee, sag ihr, es ist keine Milch mehr da oder irgend so was.«
Er nickte und wählte. Seiner Stimme merkte ich an, dass er mit Savannah sprach. Ich glaube nicht, dass ich diesen Anruf hätte erledigen können, ohne mich zu verraten, aber er sprach so gelassen, als ginge es wirklich nur um eine Tüte Milch.
»Alles in Ordnung«, sagte er, als er das Gespräch beendete.
»Sie sind jetzt an der Kasse, was bedeutet, dass wir noch etwa zehn Minuten zum Planen haben.«
Wir verständigten uns auf ein paar Grundregeln auf die im Wesentlichen Lucas kam, nicht ich. Sobald die Nixe merkte, dass sie in eine Falle gegangen war, würde sie Jaimes Körper verlassen; der tödliche Schlag würde also überraschend kommen müssen. Die andere Möglichkeit war, sie in einen Kampf zu verwickeln. Wenn sie selbst es war, die ihn anfing, dann würde sie nicht merken, was wir vorhatten. Mit anderen Worten, wir mussten warten, bis sie einen von uns umzubringen versuchte sie würde es nur natürlich finden, wenn wir uns wehrten.
»Geh rauf in Paiges Büro«, sagte Lucas, als wir das Auto in der Einfahrt hörten. »Ich erzähle ihnen, dass die Website eines Kunden zusammengebrochen ist und du nicht gestört werden willst. Ich bringe dir das Essen rauf «
»Hey, Moment! Wenn ich mich in dem Büro verkrieche, wird sie ihre Pläne ändern müssen, und je länger sie braucht, desto länger werde ich hierbleiben müssen.«
Lucas überlegte. »Dann rufe ich dich zum Essen runter. Sag so wenig wie möglich. Nach dem Essen werden wir . . . ja, wir werden das Video ansehen, das sie mitgebracht haben.« Er nickte. »Ja, das ist gut. Dann brauchst du nicht zu reden.«
»Hey, dass ich dich nicht täuschen kann, bedeutet nicht, dass ich nicht eine verdammt gute PaigeImitation hinkriegen würde.«
Er sah mich an.
»Na ja, eine ziemlich gute«, sagte ich.
Er sah mich immer noch an.
»Ich halte den Mund.«
Eine Tür schlug zu. Savannah rief etwas. Ich zögerte, aber Lucas löste den Blendwerkzauber und schob mich zur Treppe.
Die erste halbe Stunde in Paiges Büro verbrachte ich damit, mir die Sachen auf ihrem Computer anzusehen. Es war nicht so, dass ich herumschnüffelte, aber ich hatte ja schließlich nichts zu tun. Okay, vielleicht schnüffelte ich herum . . . ein kleines bisschen. Nach der halben Stunde tauchte Lucas auf, bat mich sehr höflich, Paiges Dateien in Frieden zu lassen, und schloss das EMailProgramm und alle anderen Fenster bis auf zwei Solitaire und eine Datei, die wie irgendwelches Programmierzeug aussah. Wenn Savannah oder die Nixe hereinkamen, konnte ich wenigstens so tun, als arbeitete ich. Wobei Lucas die Programmierdatei in den NurLesenModus geschaltet hatte. Man hätte meinen können, der Typ traute mir nicht.
Das mit dem mangelnden Vertrauen traf mich ein bisschen.
Okay, nicht nur ein bisschen. Es traf mich. Konnte ich es ihnen zum Vorwurf machen? Nein. Ich hatte es mir verdient, vielleicht nicht dadurch, dass ich ihnen persönlich etwas angetan hatte, aber durch meinen Ruf. Na ja, ich nehme an, wenn man den gebrochenen Arm mitrechnete, den ich Lucas damals bei der Grimoriensache verpasst hatte, dann hatte ich ihnen persönlich etwas angetan. Trotzdem hätte ich gedacht, sie beide aus der Geisterwelt gerettet zu haben, würde für mich sprechen.
Vielleicht tat es das ja. Wenn es nicht so gewesen wäre, dann hätte ich jetzt vielleicht auch auf diesem Stuhl gesessen, aber nicht mit einem rücksichtsvoll für mich geöffneten SolitaireSpiel vor mir auf dem Bildschirm, sondern festgebunden und in Erwartung eines Exorzisten.
Also spielte ich Solitaire und gab mir sehr, sehr viel Mühe, nicht auf die Stimme meiner Tochter im Erdgeschoss zu lauschen, nicht daran zu denken, dass sie endlich in Reichweite war, dass ich hinuntergehen und sie in den Arm nehmen konnte und ihr sagen, dass aber darüber dachte ich ja nicht nach.
Vierzig Minuten vergingen, dann
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