Nacht der Hexen
stimmt’s? Du hast immer gesagt, da sollten wir eigentlich wohnen, nicht in diesem Scheißkaff. Da ziehen wir hin. Die Ältesten können nichts dagegen sagen. Die Stadt ist schuld, nicht wir.«
»Ich gehe nicht.«
»Aber Paige –«
»Sie hat Recht, Savannah«, sagte Cortez. »Gerade jetzt wäre es ein Schuldeingeständnis. Wenn dies vorbei ist, wird Paige sich vielleicht überlegen, ob sie das Angebot annehmen will. Bis dahin können wir uns nicht davon ablenken lassen.« Seine Stimme wurde sanfter. »Sie sind im Unrecht, Paige. Du weißt, dass sie im Unrecht sind, und du weißt, dass du das nicht verdient hast. Tu ihnen nicht den Gefallen, deswegen aus der Fassung zu geraten.«
Ich schloss die Augen und drückte die Finger auf die Lider, um die drohenden Tränen zurückzuhalten. »Du hast Recht. Wir haben zu arbeiten.«
»Im Augenblick gibt es nichts, das wir tun müssten«, sagte Cortez. »Ich würde vorschlagen, du ruhst dich aus.«
»Ich gehe Formeln üben.«
Cortez nickte. »Ich verstehe. Vielleicht könnte ich –« Er unterbrach sich. »Ja, das ist eine gute Idee. Es dürfte dir helfen, auf andere Gedanken zu kommen.«
»Was wolltest du gerade sagen?«
Er nahm seinen Terminplaner von dem Tischchen neben dem Sofa. »Da waren ein paar Formeln … ich habe gedacht … na ja, später vielleicht, wenn ich ein paar Telefonate erledigt habe und du eine Weile deine Ruhe gehabt hast … wenn es dir nichts ausmacht, da waren ein paar Hexenformeln, nach denen ich dich gern gefragt hätte.«
Er blätterte in seinem Planer, den Blick auf die Seiten gerichtet, als rechnete er nicht mit einer Antwort. Ich konnte mir das Lächeln nicht verkneifen. Der Typ war von unerschütterlicher Selbstsicherheit, wenn es darum ging, sich mit den Beamten vom Morddezernat, blutdürstigen Reportern und lebenden Toten zu befassen, aber wenn die Unterhaltung auf etwas so entfernt Privates wie die Möglichkeit kam, mit mir über Formeln zu reden, war er so unsicher wie ein Schuljunge.
»Ich zeig dir meine, wenn du mir deine zeigst«, sagte ich.
»Eins zu eins, Formel um Formel. Abgemacht?«
Er sah mit einem schiefen Lächeln von seinem Planer auf.
»Abgemacht.«
»Dann erledige du deine Anrufe und lass mir eine Stunde Zeit, um auf andere Gedanken zu kommen. Dann können wir reden.«
Er stimmte zu, und ich ging hinunter ins Souterrain.
Eine Stunde verging. Eine Stunde des Übens und eine Stunde voller Fehlschläge. Gab es in der Welt nicht vielleicht eine wohlwollende Macht, die Ausdauer und gute Absichten belohnte? Wenn eine solche Wesenheit existierte, konnte sie jetzt nicht auf mich herabsehen, sich erbarmen und sagen »Lass uns ein Einsehen mit dem armen Mädchen haben«?
Eine einzige gute, tödliche Formel, um Savannah zu schützen – mehr wollte ich ja gar nicht. Ja, okay, wenn es da draußen irgendwo eine derartige wohlwollende Wesenheit gab, dann würde sie mir wahrscheinlich nicht gerade die Macht zu töten geben. Aber ich musste wissen, wie man es machte. Konnte das höchste Wesen der Hexenkunst, welches das auch immer sein mochte, dies nicht einsehen? Na sicher. Wenn ein solches Wesen existierte, sah es im Augenblick wahrscheinlich auf mich herunter, lachte und schrie: »Diese Formeln funktionieren nicht, du dumme Gans!«
»Diese Formeln funktionieren nicht«, sagte eine Stimme unmittelbar neben mir.
Ich sprang beinahe in die Luft vor Schreck und hätte auf den Knien fast das Gleichgewicht verloren. Savannah sah auf mein Grimorium herunter.
»Na ja, stimmt doch, dass sie’s nicht tun, oder?«, fragte sie.
»Außer den paar, die du hingekriegt hast – die anderen verpuffen einfach, stimmt’s?«
»Hast du sie ausprobiert?«
Sie plumpste neben mir auf den Boden. »Nee. Ich hab nie rausgefunden, wo du die Grimorien aufbewahrst. Aber ich weiß, woran du arbeitest – aus deinem Tagebuch, weißt du noch? Ich hab mir überlegt, ob ich dir sagen soll, dass sie nicht funktionieren, aber dann hab ich gedacht, du hörst sowieso nicht zu. Lucas findet, ich sollte dir Bescheid sagen,damit du deine Zeit nicht mehr mit den Dingern verschwendest.«
Das gab mir einen Stich – der Gedanke, dass sie mit jemandem, der fast ein Fremder war, über Dinge geredet hatte, die ihr bei mir unangenehm gewesen wären. Dabei musste ich zugeben, dass sie Recht hatte. Ich hätte nicht auf sie gehört. Ich wollte überhaupt nichts hören, das mit ihrem Hintergrund oder mit ihrer Mutter zu tun haben könnte. Das musste sich
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