Nacht der Hexen
Savannah zwei Frauen in die Hände geliefert haben, die jeden Grund haben, sie loswerden zu wollen. Ich wundere mich bloß, dass sie nicht sie umgebracht haben statt dieses Jungen.« Ich sah von Sandford zu Nast. »Oh, ich verstehe. Sie haben sich eingebildet, sie würden sich an die Regeln halten, schon weil es Hexen sind – zu dumm oder zu ängstlich, um irgendwelche Pläne gegen Sie zu schmieden?«
»Sind wir mit ihr bald fertig?«, fragte Sandford, während er mit dem Kinn in meine Richtung zeigte.
Nast sah zu mir herüber, aber sein Blick war desinteressiert und zerstreut. »Bringen Sie sie einfach anderswohin. Ich überlege mir später, was wir mit ihr machen. Ich habe jetzt keine Zeit für so was.«
In dem Augenblick, in dem Sandford seine Frage stellte, hatte ich damit begonnen, die Nebelformel zu flüstern. Jetzt drehte ich rasch die Hand, und eine Wolke von Rauch brach aus meinen Fingerspitzen hervor und wallte zwischen uns empor wie eine Wand.
Ich stürzte ins Schlafzimmer, schlug die Tür zu und sprach einen Schließzauber. Dann riss ich einmal versuchsweise am Fenster und stellte fest, dass es mit Farbe zugestrichen war; dann nahm ich einen Stuhl und schleuderte ihn durch die Scheibe.
»Savannah!«, sagte ich und schüttelte sie an der Schulter.
Sie gab nur ein leises Stöhnen von sich. Ich packte sie um die Taille und zerrte sie vom Bett. Dann sah ich zum Fenster hinaus. Wir waren im zweiten Stock. Vielleicht hätte ich hinunterspringen können, aber ich konnte Savannah kaum zum Fenster hinauswerfen.
Leah hämmerte an die Tür. Sandford brüllte Anweisungen und rief nach Verstärkung.
Ich überlegte hastig. Kannte ich eine Formel, mit der ich Savannah hier herausbekam? Nein.
Ich musste entweder eine Methode finden, sie abzuseilen, oder ich würde sie tragen müssen. Ersteres würde zu lang dauern. Ich versuchte sie hochzuheben, brachte sie aber kaum vom Fußboden hoch.
Die Tür flog auf. Friesen kam hereingestürmt und packte Savannah. Leah folgte ihm auf den Fersen.
»Seht ihr, Leute?«, sagte sie. »Ich hab’s euch doch gesagt, kein Grund zur Eile. Es dauert eine Weile, bis die irgendwas zustande bringt.«
»Schließt sie unten ein«, sagte Nast.
Leah beugte sich über mich und flüsterte laut: »Kleiner Tipp:Vielleicht solltest du nächstes Mal lieber in Richtung Haustür rennen.«
Friesen und Sandford lachten.
Sie brachten mich in einen gesicherten Kellerraum, wo sie mich fesselten und knebelten, damit ich keine Formeln mehr sprechen konnte. Dann jagte Shaw mir eine Dosis Betäubungsmittel in den Arm. Ich war bewusstlos, bevor sie auch nur den Raum verlassen hatten.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, aber als ich aufwachte, sah ich geradewegs in Cortez’ Augen. Ich versuchte mich aufzusetzen und lächelte hinter meinem Knebel. Dann zwinkerten die Augen, und ich sah etwas so Kaltes in ihnen, dass ich zurückwich.
Irgendwo im Hintergrund hörte ich Gabriel Sandford lachen. »Jetzt hat sie Angst vor ihrem eigenen Schatten. Typisch Hexe.«
Der Mann, der sich über mich beugte, zwinkerte noch einmal. Er hatte Cortez’ Augen, nur waren sie älter. Älter und seelenlos.
Als er aufstand, stellte ich fest, dass die Ähnlichkeit bei den Augen begann und endete. Dieser Mann war Anfang vierzig, kleiner als Cortez, und er hatte strenge, aristokratische Gesichtszüge, die attraktiv hätten sein können, wenn er gelächelt hätte; aber die tiefen Furchen auf seiner Stirn legten den Schluss nahe, dass er es niemals tat.
»Sind Sie sich wirklich sicher?«, fragte er. »Was diese Beziehung angeht?«
»Sicher?«, fragte Sandford zurück. »Was erwarten Sie – eine Videoaufnahme davon, wie Ihr Bruder sie bumst?«
Der Mann richtete einen kalten Blick auf Sandford, der daraufhin Haltung annahm und sich räusperte.
»Hundertprozentig sicher kann ich mir nicht sein, weil sie es kaum zugeben wird«, sagte er in förmlichem Tonfall. »Aber alle Hinweise deuten darauf hin. Ihr Bruder sucht verzweifelt nach ihr.«
»Verzweifelt?«
»Sehr.«
Die Augenbrauen des anderen Mannes hoben sich. »Ich kann mich nicht entsinnen, Lucas jemals wegen irgendetwas verzweifelt gesehen zu haben. Das entscheidet die Sache. Tötet sie.«
»Und dann legen wir ihren Kopf in sein Bett?«
Die Lippen des Mannes verzogen sich fast unmerklich. Er schüttelte nur den Kopf, als sei Sandfords kleiner Scherz keine Antwort wert.
Sandford richtete sich etwas auf und senkte den Blick. »Würden Sie es also
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