Nacht der Hexen
sie.«
Er tat es – geschlagene dreißig Minuten lang. Ich war davon ausgegangen, dass er mir ein paar Brocken Information liefern würde in der Hoffnung, ich würde dann Ruhe geben. Stattdessen breitete er alles vor mir aus – im wortwörtlichenSinne; er zeichnete mir Karten und Diagramme, führte die wichtigsten Persönlichkeiten auf und so weiter und so fort. Hier kommt die Kurzversion. So ziemlich alles, was ich jemals über Kabalen gehört hatte, entsprach den Tatsachen. Kabalen waren sehr alte, sehr etablierte Gruppierungen, die sich jeweils um eine zentrale Magierfamilie gebildet hatten, etwa wie in einem Familienbetrieb – aber stellen Sie sich jetzt bitte eher einen Mafiaclan vor als den Feinkostladen an der Ecke. Der Vergleich stammt von mir, nicht von Cortez; er erwähnte die Mafia mit keinem Wort, obwohl die Ähnlichkeiten kaum zu übersehen waren. Beides waren ultraverschwiegene, an Familien ausgerichtete Organisationen. Beide erwarteten absolute Loyalität von ihren Angehörigen und verliehen dem durch Gewaltandrohung Nachdruck. Beide verbanden kriminelle Aktivitäten mit legalen Geschäften. Cortez versuchte die weniger erfreulichen Aspekte gar nicht zu beschönigen; er legte einfach die Tatsachen dar und sprach dann weiter.
Im Aufbau allerdings hatte die Kabale mehr von Donald Trump als von Al Capone. An der Spitze stand der Generaldirektor, das Oberhaupt der Magierfamilie. Dann kam der Vorstand, bestehend aus den Angehörigen des Generaldirektors, wobei die Macht von seinen Söhnen über seine Brüder zu den Neffen und dann den Cousins abnahm. Die unteren Ebenen bestanden aus nicht blutsverwandten Magiern, Halbdämonen, Nekromanten, Schamanen – allem, was die Kabale hatte einstellen können. Allerdings – keine Werwölfe und Vampire. Cortez zufolge hatten die Kabalen eine strikte Einstellungspolitik: keine paranormalen Wesen, bei denen die Gefahr bestand, dass sie einen mit dem Mittagessen verwechseln könnten.
Jedermann innerhalb der Kabale verfolgte das gleiche Ziel: für die Kabale Geld und Macht zu erwerben. Je mehr sie heranschafften, desto schneller der Aufstieg. Je profitabler die Firma, desto höher fielen die Bonusse und Börsenoptionen der Angestellten am Jahresende aus. Ja, Kabalen sind an der Börse notiert. Es könnte durchaus eine lohnende Investition sein, wenn einen das bisschen Blut nicht stört, das an den Dividenden klebt.
Nach außen hin wirkten die Kabalen harmloser als die Mafia. Keine Autobomben oder Schießereien. Magier waren keine gewöhnlichen Ganoven. O nein, die Typen waren seriöse Geschäftsleute. Wenn man eine Kabale hinterging, sprengten sie einem nicht das Haus samt der Familie in die Luft. Stattdessen beauftragten sie einen entsprechend begabten Halbdämon, den Laden niederzubrennen und es nach einem Kurzschluss aussehen zu lassen. Dann folterte ein Nekromant die Seelen der Angehörigen, bis man der Kabale lieferte, was sie haben wollte. Natürlich sprach Cortez dies nicht aus, aber er sagte genug, dass ich zwischen den Zeilen lesen konnte.
Wenn all das zutraf – warum unternahm der paranormale Rat dann nichts? Allmählich begann ich Robert Vasics Standpunkt zu verstehen.
»Und welche Rolle spielt Savannah bei alldem?«, erkundigte ich mich.
»Diese Frage könnte Ihnen nur ein Mitglied der Nast-Kabale definitiv beantworten. Was ich Ihnen an Information liefern könnte, würde ausschließlich auf Gerüchten beruhen, und ich ziehe es vor, mich an Tatsachen zu halten.«
»Notfalls gebe ich mich mit Hörensagen zufrieden. Was haben Sie gehört?«
»Ich würde mich wirklich nicht wohl fühlen –«
»Dann lassen Sie mich den Anfang machen. Letztes Jahr haben Leah und ein Magier namens Isaac Katzen ein menschliches Forschungsprojekt infiltriert, das auf dem Kidnapping von Paranormalen beruhte – Katzen als Informant und Leah als eine der Gefangenen. Die Absicht dabei war, dass Katzen mächtige Paranormale ausfindig machen sollte; dann würde man es den Menschen überlassen, sie zu fangen und einzusperren, und Leah würde versuchen, in der Gefangenschaft ihr Vertrauen zu gewinnen. Eine einfache und billige Methode, Paranormale für die Nast-Kabale zu rekrutieren –«
»Sie haben nicht für eine Kabale gearbeitet, so viel weiß ich mit Sicherheit. Man geht davon aus, dass sie eine eigene Organisation aufbauen wollten, eine Art Kabale im kleineren Format.«
»Machen Sie weiter.«
Er zögerte und sagte dann: »Es heißt, Leah habe sich mit der
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