Nacht der Leidenschaft
nachtragend und so verdammt versöhnlich, dass sie sich entsetzlich gemein und selbstsüchtig vorkam, als sie ihm zu erklären versuchte, dass sie nicht ihn, sondern Jack Devlin heiraten würde.
„Ist dies dein Wunsch, Amanda?“, fragte er nur, und sie antwortete mit einem beschämten Nicken.
„Charles“, kam es ihr schwer über die Lippen, da sie an ihrer Schuld zu ersticken glaubte, „ich habe dein Vertrauen missbraucht. Ich habe dich ausgenutzt …“
„Nein, sag das nie“, unterbrach er sie und war im Begriff, die Hände nach ihr auszustrecken, beherrschte sich aber sofort und lächelte stattdessen schwach. „Dafür kenne ich dich zu gut, Amanda. Ich habe nur den Wunsch, dass es dir gut geht. Und wenn die Ehe mit Devlin dein Glück ist, dann werde ich mich klaglos damit abfinden.“
Zu Amandas Ärger zeigte Jack, als sie ihm später von ihrem Gespräch mit Charles Hartley erzählte, nicht die geringsten Gewissensbisse. Er hob nur unbeteiligt die Schultern. „Hartley hätte um dich kämpfen können“, argumentierte er. „Er hat es nicht getan. Warum solltest du dich – oder ich mich – schuldig fühlen?“
„Charles hat sich als Gentleman erwiesen“, erwiderte sie. “Darin hast du offensichtlich wenig Erfahrung.“
Jack grinste, zog sie auf seinen Schoß und berührte aufreizend ihr Mieder. „Ein Gentleman bekommt nicht immer, was er will.“
„Aber ein Schurke schon?“, fragte sie und brachte ihn zum Lachen.
„Dieser Schurke hier jedenfalls.“ Er küsste sie herzhaft, bis sämtliche Gedanken an Charles Hartley aus ihrem Kopf verschwunden waren.
Amanda war bestürzt, dass die Meldungen über ihre eilige Hochzeit die Klatschspalten der Londoner Presse mit widerlichen Spekulationen füllten. Die Zeitungen, die Jack besaß, waren in ihrer Berichterstattung natürlich einigermaßen dezent, die restlichen Blätter aber gaben gnadenlose Kommentare ab. Für das Leserpublikum war es ein Gaumenkitzel, dass der erfolgreichste Londoner Verleger eine gefeierte Romanautorin geehelicht hatte. Sogar noch zwei Wochen nach ihrer Verheiratung erschienen täglich neue Einzelheiten über ihre Beziehung in der Boulevardpresse, wie The Mercury, The Post, The. Publk Ledger, The Journal und The Standard, und viele davon waren frei erfunden. Da sie mittlerweile den riesigen Bedarf der Nachrichtenindustrie kennen gelernt hatte, sagte sich Amanda, dass das Interesse an Jack und ihr bald abnehmen und man dann aus anderen Quellen schöpfen würde. Eine Geschichte jedoch traf sie ins Mark. Auch wenn sie nicht der Wahrheit entsprach, war sie darüber so aufgebracht, dass sie ihren frischgebackenen Ehemann darauf ansprach.
„Jack“, sagte sie und ging in ihrem grün-burgunderroten Schlafzimmer zögernd auf ihn zu.
„Mmmm?” Jack schlüpfte gerade in eine elegante, anthrazitfarbene Weste, die genau zu seiner Hose passte. Der Anzug, der nach der neuesten Mode geschnitten war, passte sich seiner schlanken, muskulösen Gestalt an. Er nahm ein gemustertes Halstuch in die Hand, das sein Kammerdiener ausgesucht hatte, und betrachtete es kritisch.
Amanda reichte ihm die Zeitung. „Hast du den Artikel in der Klatschspalte des London Report gelesen?“
Jack legte das Halstuch zur Seite und nahm das Blatt in die Hand. Mit geübter Schnelligkeit überflog er die raschelnde Seite. „Du weißt, ich lese keinen Klatsch.“
Amanda legte die Stirn in Falten und verschränkte die Arme über der Brust. „Es geht um mich und dich.“
Er lächelte träge und warf einen weiteren Blick auf das Gedruckte. „Vor allem lese ich keinen Klatsch über mich.
Es ärgert mich höllisch, wenn es erlogen ist, und noch mehr, wenn es stimmt.“
„Nun, vielleicht kannst du mir erklären, in welche Kategorie diese Zeilen fallen … wahr oder unwahr.“
Er hörte die wachsende Spannung in ihrer Stimme und betrachtete sie nachdenklich. Dann ließ er das Blatt au f einen nahen Tisch fallen. „Du sagst mir, was drin steht“, schlug er ernst vor, denn er erkannte, dass sie wirklich verärgert war. Er legte seine Hände auf ihre Schultern und streichelte sie am Oberarm. „Beruhige dich“, beschwichtigte er sie liebevoll. „Glaube mir, worum es auch geht es wird ohne Bedeutung sein.“
Sie blieb steif vor ihm stehen. „Es ist ein hässlicher kleiner Artikel, der auf die Verbindung älterer Frauen mit jüngeren Männern abzielt. Voller Spott heißt es, wie klug es doch von einem jungen Mann sei, sich die Begeisterung einer älteren
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