Nacht der Leidenschaft
ihr dadurch eine vollkommen neue Welt.
Es überraschte und freute sie, dass Jack geschäftliche Dinge mit ihr besprach und sie dabei als gleichrangigen Partner behandelte und nicht nur als Ehefrau. Kein Mensch hatte ihr bisher diese Mischung aus Nachsicht und Achtung entgegen gebracht. Er ermutigte sie, frei zu sprechen, forderte sie auf, ihre Meinung zu vertreten, auch wenn er sie nicht teilte, und ihn offen auf einen Irrtum seinerseits hinzuweisen. Er förderte ihre Kühnheit und Unternehmungslust und nahm sie zu Sportveranstaltungen mit, besuchte mit ihr Wein- und Bierschenken, naturwissenschaftliche Ausstellungen, ja sogar geschäftliche Zusammenkünfte, bei denen ihre Anwesenheit mit unverhülltem Erstaunen aufgenommen wurde. Obgleich Jack bewusst war, dass ein solches Verhalten von der Gesellschaft nicht gebilligt wurde, schien er sich nicht darum zu kümmern.
Die meisten Vormittage behielt sich Amanda für ihre schriftstellerische Tätigkeit vor. Sie arbeitete in einem weiträumigen Zimmer, das für sie eingerichtet worden war Die Wände, an denen sich Bücherregale aus Mahagoni reihten, waren in einem beruhigenden Salbeigrün gehalten. Anstelle der üblichen gewichtigen Möbel, die man in einer Bibliothek oder einem Lesezimmer vermutete, waren Schreibtisch, Stühle und Couch vom Stil her leicht und weiblich. Da Jack Amandas Federhaltersammlung ständig um besondere Stücke erweiterte einige von ihnen waren mit Edelsteinen besetzt oder mit kunstvollen Gravierungen geschmückt –, bewahrte sie diese in einem ledernen Behältnis in ihrem Schreibtisch auf.
An den Abenden ging Jack gern mit ihr aus. Einladungen von Politikern, Künstlern, Kaufleuten und sogar Aristokraten flatterten ihm unablässig ins Haus. Amanda stellte überrascht fest, wie groß der Einfluss ihres Mannes war. Man warb um seine Gunst und behandelte ihn mit wachsamer Freundlichkeit, da bekannt war, dass er die öffentliche Meinung auf ein Problem lenken konnte, an dessen Lösung ihm gelegen war. Das jung vermählte Paar wurde zu den verschiedensten Anlässen eingeladen – zu Bällen, Jachtpartys, ländlichen Picknicks –, die sie meist gemeinsam besuchten.
Amanda war sich im Klaren darüber, dass Charles Hartley ihre Seele nie in dem Maße ergründet hätte wie ihr Mann. Jack erfasste ihre Gedanken, dass es sie beinahe erschreckte. Er war unendlich wendig und unberechenbar Manchmal behandelte er sie wie die reife Frau, die sie war, und manchmal hob er sie wie ein kleines Mädchen auf seinen Schoß, neckte und hänselte sie, bis sie in hilfloses Gelächter ausbrach. Eines Abends ließ er einen Badezuber vor den Kamin bringen samt einem Tablett mit dem Abendessen. Er entließ die Mädchen und badete Amanda eigenhändig. In dem warmen, seifigen Wasser massierte er ihr mit seinen kräftigen Händen den Rücken. Nachdem er sie abgetrocknet und ihr langes Haar gebürstet hatte, holte er das Tablett und fütterte er sie mit kleinen Häppchen. Wohlig lehnte sich Amanda an seine Brust und blickte verträumt in das knisternde Feuer.
Jack hatte einen kräftigen Appetit, der auch für das Schlafzimmer galt. Die Intimitäten, die sie im Bett teilten, waren so hemmungslos und ausgefallen, dass Amanda manchmal fürchtete, sie könne ihm beim Licht des Tages nicht in die Augen sehen. Jack brachte sie dazu, nichts vor ihm zu verstecken, weder seelisch noch körperlich.
Trotzdem war ihr nie ganz wohl dabei, wenn sie so rücksichtslos entblößt wurde. Er nahm und er gab und er verlangte, bis sie den Eindruck hatte, sie gehöre nicht mehr sich selbst. Er brachte ihr Dinge bei, die keine Dame wissen sollte. Er war genau der Ehegatte, den sie sich erträumt hätte: ein Mann, der sie in den Grundfesten erschütterte, der ihr die Selbstgefälligkeit und die Hemmungen nahm, ein Mann, der sie spielen und herumtoben ließ, bis ihre Verbitterung über die schweren, verantwortungsvollen Jahre ihrer Jugend vergessen waren.
Mit dem Erscheinen der letzten Folge von Eine unvollkommene Frau war Amandas Position als erfolgreichste weibliche Romanschriftstellerin unangefochten. Jack hatte geplant, den vollständigen Roman in drei Bänden herauszugeben. Eine Version sollte in aufwendigem Kalbsleder gebunden sein und eine zweite, erschwinglichere in ‚falscher Seide‘.
Die Nachfrage nach den in Kürze erscheinenden drei Bänden war so groß, dass sie nach Jacks Schätzung einen Verkaufsrekord erzielen würden. Um seine Frau als Erfolgsautorin zu feiern, kaufte er
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