Nacht der Leidenschaft
über die Innenfläche, als wollte er den Kuss einreiben, den er ihr gegeben hatte. „Ich kann nicht.“
„Weil, hm … Hast du noch eine … andere Verabredung?“, fragte sie stockend, während sich ihr der quälende Gedanke aufdrängte, er könnte aus ihren Armen zu einer anderen Frau gehen.
Er lachte kurz auf. „Großer Gott, nein. Es ist nur …“
Er brach ab und sah sie nachdenklich an. „Du wirst es bald verstehen.“ Er beugte sich über sie und küsste sie leicht auf das Kinn, die Wangen und die geschlossenen Augenlider.
„Ich … ich werde Sie nicht wieder zu mir bestellen“, sagte sie beklommen, während er nach dem Plaid auf dem Sessel griff und sie damit zudeckte.
„Ja, ich weiß“, sagte er und lächelte.
Sie ließ die Augen geschlossen und lauschte dem Rascheln der Kleidungsstücke, als er sich vor dem Kaminfeuer anzog. Scham- und Wonnegefühle stritten miteinander, als sie versuchte, alles, was sie an diesem Abend erlebt hatte, noch einmal im Geiste an sich vorüberziehen zu lassen.
„Auf Wiedersehen, Amanda“, murmelte er, und dann war er fort und ließ sie zerzaust und halb entkleidet im Schein des Kaminfeuers zurück. Sie zog die weiche Kaschmirdecke enger um die nackten Schultern und strich sich das zerwühlte Haar aus der Stirn.
Sinnlose Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf … sie würde Gemma Bradshaw besuchen und sich über den Mann erkundigen, den sie ihr geschickt hatte. Sie musste unbedingt mehr über Jack wissen. Aber zu welchem Zweck? Er lebte in einer lasterhaften Welt, zu der sie keinen Zutritt hatte. Die Möglichkeit, freundschaftlich mit ihm zu verkehren, war ausgeschlossen. Auch wenn er jetzt kein Geld von ihr genommen hatte, so würde er es beim nächsten Mal gewiss tun. Oh, sie hatte ja nicht damit gerechnet, dass ihr dies alles so nahe gehen würde, dass sie zugleich Schuld und Verlangen empfände, dass ihr Leib vor Wonne brannte, die Haut prickelte, als strichen seidene Schleier über sie. Bei dem Gedanken an seine zärtlichen Hände und an seine Küsse zog sie die Decke mit einem verzweifelten Aufstöhnen über das Gesicht.
Morgen würde sie mit dem Alltag ihres Lebens fortfahren, bis zum Ende ihrer Tage, so wie sie es sich vorgenommen hatte. Aber bis zum Morgengrauen würde sie sich von ihren Fantasien treiben lassen und von einem Mann träumen, der bereits aus ihrer Realität verschwunden war.
„Alles Gute zum Geburtstag“, flüsterte sie sich selbst zu.
Kapitel 3
Nach dem Tode ihres Vaters war Amanda die Entscheidung, nach London zu ziehen, nicht schwer gefallen. Sie hätte ohne weiteres in Windsor bleiben können; es lag nur ungefähr fünfundzwanzig Meilen von der Stadt entfernt und einige der bekanntesten Verleger hatten sich dort niedergelassen. Sie hatte immer in Windsor gelebt. Die beiden älteren Schwestern wohnten mit ihren Familien ganz in der Nähe. Das kleine, wohnliche Haus der Briars war ihr testamentarisch vermacht worden.
Nach der Beerdigung des Vaters hatte Amanda jedoch das Haus sogleich verkauft und sich den Protest ihrer Schwestern Helen und Sophia eingeheimst. Sie seien alle in diesem Haus geboren, hatten ihre Schwestern geklagt, und sie habe nicht das Recht, einen Teil der lebendigen Familiengeschichte zu veräußern.
Amanda hatte die Kritik mit äußerer Gelassenheit aufgenommen und das grimmige Lächeln für sich behalten, mit dem sie sich zugestanden hatte, dass es ihr wohlverdientes Recht sei, über das Haus zu entscheiden, wie es ihr beliebte. Möglich, dass Helen und Sophia noch in Liebe an ihrem Elternhaus hingen, aber für Amanda war es fünf Jahre lang wie ein Gefängnis gewesen. Ihre Schwestern hatten geheiratet und waren in eigene Häuser gezogen, während Amanda bei ihren Eltern geblieben war und einen nach dem anderen bis zu seinem Tode gepflegt hatte.
Ihre Mutter hatte drei Jahre lang an Schwindsucht gelitten, bis sie gestorben war. Ein schleichender, furchtbarer Tod. Danach hatte der Vater, der nach dem Dahinscheiden seiner Frau allen Lebensmut verloren hatte, seiner Tochter als nörgelnder, dahinsiechender Greis das Leben schwer gemacht.
Amanda hatte diese Last allein getragen. Ihre Schwestern waren mit ihren eigenen Familien zu beschäftigt gewesen, um ihr Hilfe anzubieten, und die meisten Freunde und Verwandte hatten ihr Gewissen mit der Feststellung beruhigt, dass Amanda durchaus fähig sei, die Pflege der Eltern. ohne Beistand zu bewältigen. Sie war eine alte Jungfer – was hätte sie sonst tun
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