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Nacht der Leidenschaft

Nacht der Leidenschaft

Titel: Nacht der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Sie es verstehen.“
    Es war nicht ihre Art, einem anderen mit Hilfe ihres Charmes Informationen zu entlocken. Einer offen ausgesprochenen Frage hatte sie immer den Vorzug gegeben. Dieses Mal aber schenkte sie Fretwell ihr schönstes Lächeln. Ohne sich den Grund einzugestehen, war sie begierig, alles von ihm zu erfahren, was er über Devlins Vorgeschichte wusste. „Mr. Fretwell“, sagte sie, „wollen Sie mir nicht vertrauen? Ich kann meinen Mund halten.“
    „Ja, ich glaube Ihnen. Aber diese Geschichte ist nichts für schwache Nerven.“
    „So leicht bin ich nicht zu beeindrucken, Mr. Fretwell, und ich lebe gewiss nicht in einem Elfenbeinturm. Ich verspreche Ihnen, nicht in Ohnmacht zu fallen.“
    Fretwell lächelte zwar, aber seine Stimme war ernst. „Hat Devlin Ihnen etwas über die Schule erzählt, in der er … wir waren?“
    „Nur, dass in einem kleinen Ort in der Heide zur Schule ging. Den Namen wollte er nicht nennen.“
    „Es war Knatchford Heath“, sagte er und sprach den Namen wie einen bösen Fluch aus. Dann schwieg er, als ob ein vergessener Albtraum ihn einholte, während Amanda über den Namen Knatchford Heath rätselte, der ihr irgendwie bekannt vorkam. Gab es nicht einen grausigen Reim mit diesem Wort?
    „Ich weiß nichts über die Schule“, sagte Amanda nachdenklich. „Aber ich habe davon gehört … ist dort nicht einmal ein Junge gestorben?“
    „Viele Jungen sind dort gestorben.“ Fretwells Gesicht war finster. Sogar beim Sprechen schien er sich von diesem Thema distanzieren zu wollen und senkte die Stimnie zu einem monotonen Tonfall. „Das Haus existiert nicht mehr.
    Gott sei Dank. Der Skandal nahm so große Ausmaße an, dass die Eltern die Kritik der Öffentlichkeit scheuten und es nicht mehr wagten, ihre Söhne dorthin zu schicken. Hätte man die Schule nicht geschlossen, so hätte ich sie eigenhändig zu Schutt und Asche verbrannt.“ Seine Gesichtszüge wurden hart. „Es war ein Ort für unerwünschte oder uneheliche Kinder, deren Eltern sie abschieben wollten. Eine bequeme Art, sich eines Fehltritts zu entledigen.
    Und das war ich – der illegitime Sohn einer verheirateten Frau, die ihren Mann betrogen hatte und den Beweis für ihren Ehebruch verstecken wollte. Und Devlin … der Sohn eines Adligen, der ein armes irisches Hausmädchen vergewaltigt hatte. Als Devlins Mutter starb, wollte sein Vater nichts von seinem Bastard wissen und schickte den Jungen nach Knatchford Heath, Knatchford in der Heide, oder, wie wir es nannten, Knatchford in der Hölle.“ Er verstummte eine Weile und schien bitteren Erinnerungen nachzuhängen.
    „Erzählen Sie weiter“, drängte sie ihn sanft. „Erzählen Sie mir von der Schule.“
    „Einige wenige der Lehrer waren verhältnismäßig freundlich“, sagte er. „Die restlichen aber waren teuflische Ungeheuer. Dem Direktor fehlte nur der Pferdefuß, er war der Teufel in Menschengestalt. Wenn ein Schüler nicht gut genug lernte, sich über das schimmlige Brot oder die Pampe beschwerte, die sie Porridge nannten, oder sonst einen Fehler machte, wurde er mit Peitschenhieben, Nahrungsentzug, Verbrennungen oder noch schlimmeren Methoden bestraft. Einer der Angestellten von Devlin. Mr. Orpin, ist fast taub geworden von den heftigen Schlägen, die er auf seine Ohren bekam. Ein anderer Junge in Knatchford wurde blind vor Unterernährung.
    Manchmal wurde ein Schüler auch an das Eingangstor gebunden und musste dort die ganze Nacht bei winterlichen Temperaturen ausharren. Es grenzt an ein Wunder, dass wir überlebt haben, aber dieses Wunder ist geschehen.“
    Amanda starrte ihn mit einer Mischung aus Schrecken und Mitgefühl an. „Wussten die Eltern, was mit ihren Söhnen geschah?“, brachte sie mühsam hervor.
    „Selbstverständlich wussten sie es. Aber es kümmerte sie nicht, wenn einer von uns starb. Ich glaube, sie hofften es geradezu. Es gab weder Ferien noch Feiertage. Keiner der Eltern kam, um den Sohn an Weihnachten zu besuchen, und niemand erschien, um sich ein Bild von den Zuständen an der Schule zu machen. Wie ich Ihnen schon sagte, wir waren unerwünscht. Wir waren Fehltritte.“
    „Ein Kind ist kein Fehltritt“, sagte Amanda mit plötzlich brüchig gewordener Stimme.
    Fretwell lächelte traurig über diese wohlgemeinte Feststellung und fuhr dann ruhig fort. „Als ich nach Knatchford kam, hatte Jack Devlin dort bereits über ein Jahr gelebt. Ich wusste sofort, dass er anders als die übrigen Jungen war. Er schien die Lehrer

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