Nacht der Leidenschaft
Mrs. Briars.“ Er stellte die Teetasse ab und faltete sorgfältig die Serviette. „Es tut mir sehr leid, aber im Verlag wartet viel Arbeit auf mich.“
Widerwillig klingelte Amanda nach Sukey, die mit Hut, Mantel und Handschuhen des Gastes erschien. Mit hochgeschlagenem Mantelkragen wappnete sich Fretwell gegen den eisigen Winterwind. „Ich hoffe, dass Sie mich bald wieder besuchen“, sagte Amanda.
Er nickte und wusste, dass sie es kaum erwarten konnte, mehr über Jack Devlin zu erfahren. „Ich werde versuchen, Ihrem Wunsch nachzukommen, Miss Briars. Oh, beinahe hätte ich es vergessen …“ Er griff in die Manteltasche und förderte einen kleinen Gegenstand in einem schwarzen, mit seidener Kordel verschnürten Samtbeutel zutage.
„Mein Chef bat mich, Ihnen dies zu übergeben“, sagte er. „Es soll eine Erinnerung an Ihren ersten Vertrag mit ihm sein.“
„Ich kann wirklich kein persönliches Geschenk von ihm annehmen“, antwortete Amanda argwöhnisch und machte keine Anstalten, den Samtbeutel entgegenzunehmen.
„Es ist ein Federhalter“, erklärte er sachlich. „Wohl kaum ein Gegenstand, dem man eine große persönliche Bedeutung beimisst.“
Vorsichtig nahm Amanda das Geschenk und ließ den Inhalt auf die offene Handfläche gleiten. Ein silberner Federhalter mit verschiedenen Stahlfederspitzen kam zum Vorschein. Amandas Überraschung war mit Unbehagen gemischt. Gleichgültig, wie Fretwell es formuliert hatte, dieser Federhalter war ein persönlicher Gegenstand, kostbar und schön wie ein Schmuckstück. Sein Gewicht ließ auf massives Sterlingsilber schließen. Die Oberfläche war graviert und mit Türkisen besetzt. Wann hatte sie das letzte Mal ein Geschenk von einem Mann bekommen, außer einem Weihnachtsgeschenk von einem Verwandten? Sie konnte sich nicht erinnern. Und doch hasste sie das Gefühl, das sie plötzlich überfiel, diese warm aufsteigende, kribbelnde Freude, die sie seit ihrer Kindheit nicht mehr empfunden hatte. Obwohl eine innere Stimme ihr riet, das wunderschöne Geschenk zurückzugeben, achtete sie nicht darauf. Wieso sollte sie es nicht behalten? Wahrscheinlich bedeutete es Devlin nichts, und sie freute sich darüber.
„Er ist schön“, sagte sie steif und legte die Finger um den Federhalter. „Ich nehme an, Mr. Devlin macht all seinen Autoren ähnliche Geschenke?“
„Nein, Miss Briars.“ Oswald Fretwell verabschiedete sich mit einem gut gelaunten Lächeln und wagte sich in die winterliche Geschäftigkeit des mittäglichen Londons hinaus.
„Dieser Absatz muss herausgenommen werden.“ Devlins langer Finger zeigte auf eine der Seiten vor ihm auf dem Schreibtisch.
Amanda ging um den Tisch herum und blickte über seine Schulter. Ihre grauen Augen zogen sich zusammen, als sie die Stelle sah, auf die er deutete. „Das kommt nicht infrage. Ist für den Aufbau des Charakters der Heldin unerlässlich.“
„Es hemmt den Erzählfluss“, wandte er knapp ein, nahm einen Stift und wollte einen Strich quer über die betreffende Seite ziehen. „Wie ich Ihnen heute Morgen bereits sagte, Miss Briars, ist dies ein Fortsetzungsroman.
Tempo ist alles.“
„Sie stellen das Tempo über die Entwicklung eines Charakters?“, fragte sie hitzig und schnappte ihm die Seite weg, bevor er sie durchstreichen konnte.
„Glauben Sie mir, es gibt hunderte von Abschnitten, in denen Sie den Charakter Ihrer Heldin beschreiben“, entgegnete er, erhob sich von seinem Stuhl und folgte ihr, als sie den Rückzug mit der Seite in der Hand antrat.
„Dieser ist jedoch überflüssig.“
„Für den Handlungsverlauf ist er von entscheidender Bedeutung“, beharrte Amanda und presste die Seite schützend an die Brust.
Bei diesem Anblick musste Jack ein Lachen unterdrücken. Sie war ihrer selbst so bewundernswert sicher, sie war so hübsch, so lebhaft und bestimmend. An diesem Morgen hatten sie mit der Bearbeitung ihres Buches Eine unvollkommene Frau begonnen, und diese Aufgabe hatte ihm bis jetzt Freude gemacht. Es erwies sich als ziemlich problemlos, Amandas Roman zu Fortsetzungsgeschichten umzuarbeiten. Bis zu diesem Augenblick hatte sie fast jeder von ihm vorgeschlagenen Änderung zugestimmt und war auch auf seine Ideen eingegangen. Manche seiner Autoren waren störrisch wie Esel, wenn es um die Änderung von Textstellen ging, sodass man meinen könnte, er verlange, dass ein Bibeltext umgeschrieben werde. Die Zusammenarbeit mit Amanda verlief gut, und sie war weder von sich noch von ihren
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