Nacht der Leidenschaft
gewiss an vielen Tischen willkommen … warum gab er ausgerechnet ihr den Vorzug?
„Sind Sie eigentlich hier, weil Sie meine Gesellschaft mögen, oder wegen der Talente meiner Köchin?“, sinnierte sie laut. Die Köchin Violet war erst in ihren Zwanzigern, beherrschte aber die Kunst, Alltagsgerichte zu etwas Außergewöhnlichem zu machen. Sie war bei dem Koch eines herrschaftlichen Hauses in die Lehre gegangen und hatte sich genaueste Aufzeichnungen über Kräuter und Gewürze gemacht und über hundert Rezepte in einem Notizbuch gesammelt, das sie auch jetzt noch ständig erweiterte.
Devlin bedachte Amanda wieder mit seinem gedankenverlorenen Lächeln, das sie immer aufs Neue verwirrte. „Die Talente Ihrer Köchin sind bemerkenswert“, räumte, er ein, „aber in Ihrer Gesellschaft wird ein Stück trockenes Brot zu einer Köstlichkeit, die eines Königs würdig wäre.“
„Ich werde wohl nie ergründen, warum Sie mich so unterhaltsam finden“, meinte sie kratzbürstig, als wollte sie die aufwallende Freude ersticken, die seine Worte in ihr ausgelöst hatten. „Ich tue nichts, um Ihnen zu schmeicheln oder zu gefallen. Im Gegenteil, ich kann mich nicht an eine einzige Unterhaltung erinnern, die nicht in einer Meinungsverschiedenheit endete.“
„Ich streite gern“, sagte er schlicht. „Mein irisches Blut.“
Amanda kam plötzlich zu Bewusstsein, wie wenig sie bislang über seine Vergangenheit erfahren hatte. „War Ihre Mutter aufbrausend?“
„Sie explodierte wie ein Vulkan“, murmelte er und schien dann über etwas längst Vergessenes aufzulachen. „Sie war eine Frau mit leidenschaftlichen Oberzeugungen und Gefühlen … Für sie gab es keine Halbheiten.“
„Sie hätte sich über Ihre Erfolge gefreut.“
„Das bezweifle ich“, antwortete Devlin, und die Heiterkeit wich einem unruhigen Aufflackern der blauen Augen.
„Ma konnte nicht lesen. Sie hätte nichts mit einem Sohn anfangen können, der Verleger geworden ist. Da sie eine gottesfürchtige Katholikin war, missbilligte sie jegliche Unterhaltung, die nichts mit biblischen Geschichten oder Psalmen gemein hatte. Die von mir herausgebrachten Themen hätten sie wahrscheinlich veranlasst, mir mit einer eisernen Bratpfanne nachzujagen.“
„Und Ihr Vater?” Sie konnte sich die Frage nicht verkneifen. „Freut es ihn, dass Sie einen Verlag gegründet haben?“
Devlin warf ihr einen langen, prüfenden Blick zu und antwortete kühl und bedächtig. „Wir sprechen nicht miteinander. Meinen Vater habe ich nie kennen gelernt, außer als ein fernes Wesen, das mich nach dem Tode meiner Mutter zur Schule schickte und das Schuldgeld zahlte.“
Amanda spürte, dass sie an der Schwelle einer von Schmerz und Bitterkeit beherrschten Vergangenheit standen. Sie wusste nicht, wie weit er ihr Vertrauen würde und ob sie mit ihren Fragen weiter in sein Leben eindringen durfte.
Der Gedanke faszinierte sie, diesem selbstbeherrschten Menschen Dinge zu entlocken, die er anderen verschwiegen hatte. Aber wieso wagte sie es überhaupt, diesen Gedanken zu spinnen? Nun, sinnierte sie weiter, seine Anwesenheit heute Abend in ihrem Haus war ein Beweis, aber wofür? Er schätzte ihre Gesellschaft … er wollte etwas von ihr … Nein, sie war sich nicht im Klaren, was es sein könnte.
Fest stand, dass er nicht aus rein sexuellem Interesse gekommen war, es sei denn, er brauchte eine gewisse Herausforderung, die er in einer scharfzüngigen alten Jungfer gefunden hatte.
Ihr Bediensteter Charles trat ein und stellte Glas- und Silberschüsseln auf den Tisch. Er servierte formvollendet, legte saftigen Rinderbraten und Buttergemüse auf die Teller, schenkte Wein und Wasser in die Gläser.
Amanda sprach erst weiter, als der Diener das Esszimmer verlassen hatte. „Mr. Devlin, Sie sind meinen Fragen über Ihre Begegnung mit Madam Bradshaw wiederholt aus dem Weg gegangen und haben mich stattdessen mit Spötteleien und Ausflüchten abgespeist. Angesichts meiner Gastfreundschaft ist es doch nur fair, dass Sie mir endlich erklären, was zwischen Ihnen und ihr gesprochen wurde und warum sie dieses lächerliche Treffen am Abend meines Geburtstags arrangiert hatte. Ich warne Sie, nicht ein Löffel Aprikosenpudding wird auf Ihrem Teller landen, wenn Sie weiterhin Stillschweigen darüber bewahren.“
Die blauen Augen blitzten amüsiert auf. „Wie grausam Sie doch sind, meine Vorliebe für Süßes gegen mich zu verwenden.“
„Erzählen Sie es mir“, verlangte sie
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