Nacht der Leidenschaft
wegen der sogenannten Liebesszenen. Sie haben eine gute Story auf gekonnte Art erzählt. Mir gefällt, dass Sie die Verfehlungen der Heldin nicht mit moralisch erhobenem Zeigefinger schildern. Im Gegenteil, Sie machen es dem Leser schwer, nicht mit ihr zu sympathisieren.“
„Ich sympathisiere mit ihr“, gab Amanda offen zu. „Ich war immer schon der Ansicht, dass es das Allerschlimmste sein muss, in einer Ehe ohne Liebe gefangen zu sein. So viele Frauen sind gezwungen, aus rein wirtschaftlichen Erwägungen zu heiraten. Wenn mehr Frauen in der Lage wären, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, würde es weniger widerspenstige Bräute und unglückliche Ehefrauen geben.“
„Aber Miss Briars“, sagte er leise. „Wie unkonventionell von Ihnen!“
Mit einem erstaunten Stirnrunzeln antwortete sie auf seine scherzhafte Bemerkung. „Das ist nur vernünftig, wirklich.“
Ihm wurde plötzlich bewusst, dass dies der Schlüssel war, um sie zu verstehen. Amanda war so pragmatisch, dass sie Heucheleien und abgestandene soziale Verhaltensmuster, denen die meisten Menschen ohne nachzudenken folgten, bereitwillig vom Tisch fegen würde. Warum sollte eine Frau heiraten, wenn sie sich anders entscheiden konnte? Nur weil man es von ihr erwartete?
„Vielleicht ist es für viele Frauen leichter zu heiraten, als für sich selbst aufzukommen?“, fragte er, um sie zu provozieren.
„Leichter?“, schnaubte sie. „Nirgendwo habe ich bislang auch nur den kleinsten Beweis entdecken können, dass es einfacher ist, das Leben in der Tretmühle des Alltags zu verbringen, als in einem Beruf zu arbeiten. Frauen brauchen erstens eine bessere Ausbildung und zweitens mehr Selbstbestimmung, und dann erst sind sie in der Lage, auch andere Möglichkeiten als eine Heirat in Betracht zu ziehen.“
„Aber eine Frau ist ohne Mann nicht vollständig“, wandte Jack provokativ ein und lachte, als ihr Gesichtsausdruck einem drohend aufziehenden Gewitter glich. Abwehrend hob er die Hände. „Beruhigen Sie sich, Miss Briars. Ich habe nur einen Scherz gemacht. Ich möchte nicht wie Lord Tirwitt geschlagen und getreten werden. Ich teile Ihre Ansichten und bin wahrlich kein großer Verfechter einer Bindung durch die Ehe. Ehrlich gesagt, ich möchte sie unter allen Umständen vermeiden.“
„Dann haben Sie nicht den Wunsch, eine Frau und Kinder zu haben?“
„Um Gottes willen, nein.“ Er grinste sie an. „Eine einigermaßen kluge Frau würde gleich erkennen, dass ich dafür nicht tauge.“
„Ja, das würde sie gleich erkennen“, stimmte Amanda zu, lächelte aber reumütig.
Wenn Amanda einen Roman beendet hatte, begann sie gewöhnlich sogleich den nächsten. Sie fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut, wenn sie keine Aufgabe und kein Ziel hatte. Immerzu musste sie eine Geschichte im Kopf haben, die sie weiterspinnen konnte. Im Gegensatz zu den meisten Menschen machte es ihr nichts aus, wenn sie in einer Schlange warten musste, eine lange Kutschfahrt vor sich hatte oder sonst einige Stunden tatenlos verbrachte.
Diese Gelegenheiten nutzte sie nur zu gern, um sich das Thema eines neuen Romans durch den Kopf gehen zu lassen. Sie entwarf Dialoge oder spielte die verschiedenen Handlungen durch.
Aber jetzt, zum ersten Mal seit Jahren, fiel ihr keine Geschichte ein, die sie so fesselte, dass sie sich sofort an den Schreibtisch gesetzt hätte. Die Überarbeitung der unvollkommenen Frau war abgeschlossen, und es war an der Zeit, ein neues Projekt in Angriff zu nehmen; aber der Gedanke daran war merkwürdigerweise nicht besonders verlockend.
Ob dies an Jack Devlin lag? Sie kannte ihn jetzt über einen Monat lang, und das häusliche Leben schien ihr seitdem nicht annähernd so interessant zu sein wie die Außenwelt – ein Problem, das sie vorher nicht gekannt hatte.
Devlin hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, sie mindestens zweimal in der Woche zu besuchen, ohne sich vorher anzumelden, wie es die Höflichkeit gebot. Es konnte mitten am Tag sein oder sogar zur Abendessenszeit, wenn ihr nichts anderes übrig blieb, als ihn zu Tisch zu bitten.
„Ich habe gelernt, dass man streunende Tiere nicht füttern sollte“, begrüßte ihn Amanda finster, als er das dritte Mal uneingeladen zum Abendessen erschien. „Es ermutigt sie, wiederzukommen.“
Wie ein reuiger Sünder ließ er den Kopf hängen, um sie aber gleich darauf schelmisch anzulächeln.
„Abendessenszeit? … Ist es schon so spät? Selbstverständlich gehe ich sofort wieder. Mein Köchin
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