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Nacht der Leidenschaft

Nacht der Leidenschaft

Titel: Nacht der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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würden Sukey, Charles und die Köchin Violet in der Zwischenzeit Freunde oder Bekannte besuchen und mit ihnen feiern. Am morgigen Tag, Boxing Day genannt, weil Schachteln mit gebrauchten Kleidungsstücken und anderen nützlichen Dingen sowie Münzen an die Armen verschenkt wurden, wollte Amanda mit ihren Dienstboten für eine Woche zu ihrer Schwester Sophia nach Windsor fahren.
    Amanda freute sich auf das Wiedersehen mit ihren Verwandten, aber sie war sehr froh, den heutigen Tag in London zu verbringen. Wie schön, dieses Jahr einmal etwas anderes zu unternehmen! Außerdem tat es ihr wohl, ihren Schwestern zu zeigen, dass man nicht immer mit ihr rechnen konnte. „Amanda kommt nicht?“, konnte sie ihre Großtante krächzen hören. „Aber sie kommt doch immer an Weihnachten – sie hat doch keine eigene Familie.
    Und wer macht den Brandy-Punsch?“
    Stattdessen würde sie mit Jack Devlin tanzen und dinieren. Vielleicht würde sie ihm sogar gestatten, sie unter einem Mistelzweig zu küssen.
    „Also, Mr. Devlin“, sagte sie voller Vorfreude zu sich, „wir werden ja sehen, was dieser Weihnachtstag uns beiden bringen wird.“
    Nachdem sie ein heißes Bad genommen hatte, schlüpfte sie in einen Morgenmantel und setzte sich vor das Feuer in ihrem Schlafzimmer. Sie kämmte das Haar, bis es trocken war und sich in eine Fülle rotbrauner Locken verwandelte. Geschickt drehte sie es zusammen und steckte es zu einem Knoten fest. Ein paar Strähnen durften ihr über die Stirn und das Gesicht fallen.
    Mit Sukeys Hilfe zog sie ein Abendkleid aus smaragdgrüner Seide an, das am Saum in zwei Reihen mit bogenförmigen, dunkelgrünen Samtbändern verziert war Am Ende der langen schmalen Samtärmel trug sie Armbänder aus Jadeperlen. Der rechteckige Ausschnitt war tief genug ausgeschnitten, um ihr Dekolletee verführerisch zur Geltung zu bringen. Als Zugeständnis an die winterliche Kälte hatte sie einen burgunderroten Schal mit langen Seidenfransen um die Schultern gelegt. Ein Paar flämischer Ohrringe baumelte wie goldene Tränen herab. Sie begutachtete ihre gesamte Erscheinung im Spiegel und lächelte zufrieden in dem Wissen, dass sie noch nie besser ausgesehen hatte. Es war nicht nötig, sich in die Wangen zu kneifen, da sie vor Aufregung bereits rosarot waren. Ein Hauch Puder auf die Nase, einen Tropfen Parfüm hinters Ohr, und sie war fertig.
    Sie ging zum Fenster hinüber, trank einen Schluck des abgekühlten Tees und versuchte das wild pochende Herz zu beruhigen, als die Kutsche, die Devlin ihr geschickt hatte, vor dem Haus hielt. „Wie dumm, dass ich mir in meinem Alter wie Aschenputtel vorkomme!“, schalt sie sich. Aber sie ging weiter wie auf Wolken, als sie hinuntereilte und den Mantel holte.
    Nachdem der Lakai ihr in die Kutsche geholfen hatte, die mit einem Fußwärmer und einer pelzgefütterten Decke ausgestattet war, entdeckte Amanda ein verpacktes Geschenk auf dem Sitz. Neugierig betastete sie die knallrote Schleife auf dem kleinen, rechteckigen Päckchen und zog die gefaltete Karte hervor, die unter einem der Bänder steckte. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie die kurzen Zeilen las.
    Auch wenn dies bei weitem nicht so anregend ist wie Madame B.’s Memoiren, finden Sie vielleicht Gefallen daran.
    Frohe Weihnachten
    J. Devlin
    Während die Räder der Kutsche über die vereisten Straßen rollten, packte Amanda das Geschenk aus und blickte den Inhalt fragend an. Ein Buch … ein kleines, sehr altes Buch. Der Ledereinband war abgewetzt, die Seiten brüchig und vergilbt. Äußerst vorsichtig schlug Amanda die Titelseite auf. „Reisen in ferne Länder der Welt“, las sie laut. „In vier Teilen. Von Lemuel Gulliver …“
    Sie dachte kurz nach und lachte dann entzückt auf. „Gullivers Reisen!” Sie hatte Devlin einmal erzählt, dass dieses ‚anonyme‘ Werk von Jonathan Swift, dem irischen Geistlichen und Satiriker, als Kind eine ihrer liebsten Geschichten gewesen war. Diese besondere Ausgabe war das Original von 1726, ein sehr seltenes Exemplar.
    Mit einem Lächeln auf den Lippen sagte sich Amanda, dass dieses kleine Bändchen sie mehr erfreute als die kostbarsten Juwelen der Welt. Natürlich würde sie ein so wertvolles Geschenk nicht zurückweisen, aber ganz wohl war ihr nicht dabei.
    Sie behielt das Buch in ihrem Schoß, als die Kutsche in das exklusive St.-James-Viertel fuhr. Wenngleich Amanda, Jack Devlin heute zum ersten Mal besuchte, hatte Oscar Fretwell ihr bereits einiges über das

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