Nacht der Leidenschaft
Haus ihres Gastgebers erzählt. Devlin hatte das Anwesen von einem ehemaligen französischen Botschafter gekauft, der es vorzog, seinen Lebensabend auf dem Kontinent zu verbringen und sich von seinen englischen Besitzungen zu trennen.
Das Haus lag in einem Viertel, das vorwiegend alleinstehenden Herren im Adelsstand vorbehalten war. Hier gab es elegante kleine Stadthäuser, Junggesellenwohnungen und äußerst teure Läden. Eigentlich war es für einen Geschäftsmann ungewöhnlich, sich hier niederzulassen, da die meisten wohlhabenden Berufstätigen ihre Häuser am südlichen Ufer oder in Bloomsbury bauten. Devlins blaublütige Abstammung väterlicherseits und sein beträchtliches Vermögen hatten wohl dazu beigetragen, die Nachbarn ihm gegenüber gewogen zu machen.
Die Kutsche fuhr langsamer und reihte sich in eine Schlange von Fahrzeugen ein, die ihre Fahrgäste nacheinander an einer gepflasterten Einfahrt aussteigen ließen, die zu einem prächtigen Anwesen führte. Amanda blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen, als sie durch die Eisblumen am Kutschfenster hinausblickte.
Das Haus war eine feudale Residenz im Gregorianischen Stil, mit einer Front aus rotem Backstein, dicken weißen Säulen, Giebeln und vielen Reihen von übergroßen Fenstern. Die Seiten des Gebäudes waren von säuberlich geschnittenen Eiben- und Buchenhecken umrahmt, die in kleinere Baumgruppen mündeten. Teppiche aus leuchtend weißen Alpenveilchen umrandeten die einzelnen Bäume.
Es war ein Anwesen, auf das jeder stolz sein konnte. Langsam gewann Amanda ihre Fassung wieder, während sie darauf wartete, dass die Kutsche an der Einfahrt anhielt. Sie stellte sich Jack Devlin als kleinen Jungen in der Schule vor, der von einem Leben außerhalb der finsteren Mauern von Knatchford Heath träumte. Ob er gewusst hatte, dass er einmal in einem solchen Haus leben würde? Welche Gefühle hatten ihn auf dem langen, beschwerlichen Weg von der Heide bis hierher getrieben? Aber, was wichtiger war, würde er sich eine Ruhepause von seinem schier unstillbaren Ehrgeiz gönnen? Oder würde er sich die Erfolgsleiter weiter erbarmungslos hinauftreiben, bis zu dem Tag, an dem er starb?
Devlin kannte seine Grenzen nicht. In diesem Punkt war er nicht mit gewöhnlichen Maßstäben zu messen … Es mangelte ihm an der Fähigkeit, auszuspannen, zufrieden zu sein, sich an seinen Erfolgen zu freuen. Trotz dieser Eigenschaften – oder vielleicht gerade deswegen war er für Amanda der faszinierendste Mensch, der ihr je begegnet war. Und sie zweifelte nicht daran, dass er gefährlich war.
„Aber ich bin kein verträumtes Schulmädchen“, sagte sich Amanda und wusste ihren eigenen, gesunden Menschenverstand auf einmal zu schätzen. „Ich bin eine Frau, die Jack Devlin so sieht, wie er ist … und es besteht keine Gefahr, solange ich mich davor hüte, etwas Unüberlegtes und Dümmliches zu tun.“ Wie zum Beispiel, sich in ihn zu verlieben. Nein! Allein bei diesem Gedanken zog sich ihr Herz ängstlich zusammen. Sie liebte ihn nicht und wollte es auch nicht. Es reichte aus, wenn sie an seiner Gesellschaft Spaß hatte. Sie würde sich stets vor Augen halten, dass Devlin nicht der Mann war, den eine Frau ein Leben lang an sich binden konnte.
Die Kutsche hielt an. Ein Lakai eilte herbei, um Amanda auf das Pflaster zu helfen. Sie nahm seinen Arm und ließ sich die vereisten, mit Sand bestreuten Treppen hinaufbegleiten, die zu einer breiten Flügeltür führten.
Stimmengewirr, Musik und Wärme strömten aus dem hell erleuchteten Inneren. Zweige von Stechpalmen und Misteln waren mit scharlachroten Samtbändern um Säulen und Balustraden gebunden. Der würzige Duft des weihnachtlichen Grüns mischte sich mit den viel versprechenden Gerüchen eines köstlichen Mahles, das im Esszimmer aufgetragen wurde.
Es waren mehr Gäste anwesend, als Amanda angenommen hatte, mindestens zweihundert. Während die Kinder in einem Salon spielten, der eigens für sie reserviert worden war, bewegten sich die Erwachsenen in großen, ineinander übergehenden Gesellschaftsräumen. Fröhliche Musik, die aus einem der Salons kam, war im ganzen Haus zu hören.
Amandas Nerven vibrierten vor Freude, als Devlin sie ausfindig gemacht hatte. Er sah elegant aus in dem schwarzen Abendanzug mit Weste, die ganz auf Figur geschneidert war. Sein vornehmes Äußeres jedoch vermochte nicht über seine Freibeuternatur hinwegzutäuschen. Er war zu unkonventionell, zu berechnend, als dass man auf ihn
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