Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
sollte, dass es Ziggy war, ebenso wenig wollte ich es nicht glauben. „Bitte, denk noch mal darüber nach!“
„Das Einzige, worüber ich nachdenke, ist, dass mein Sohn lebt!“ Er stapfte die Treppe in den zweiten Stock zur Bibliothek hoch.
Ich rannte ihm nach und brachte zwischen hektischen Atemzügen hervor: „Ja, genau! Warum, meinst du, lebt er noch? Außer uns waren noch zwei andere Vampire im Zimmer, als Ziggy starb. Warum, glaubst du also, lebt er jetzt?“
„Das weiß ich doch!“ Ich erschrak, als er sich schnell zu mir umdrehte, und kam ins Stolpern. Allerdings sah Nathan das nicht, denn er war nur darauf konzentriert, nicht noch mehr Zeit zu verlieren. „Glaubst du, das hätte ich nicht begriffen, als ich seine Stimme hörte? Aber ich muss los, Carrie. Er ist mein Sohn!“
Dagegen ließ sich nichts einwenden. Dennoch war es komisch und ergab keinen Sinn. Warum gerade jetzt, nachdem so viel Zeit vergangen war? „Bitte, geh nicht hin. Es gibt andere Möglichkeiten, mit ihm in Kontakt zu bleiben. Aber alleine hinzugehen, obwohl du nicht weißt, wo er gewesen ist oder was er zwischenzeitlich gemacht hat … das ist verrückt, Nathan.“
„Glaubst du, er wird mich hintergehen?“ Sein Blick war kälter, als ich es jemals für möglich gehalten hatte. „Glaubst du, mein Sohn wird mir in den Rücken fallen?“
„Ich denke“, begann ich und wählte meine Worte sorgsam, „Ich denke, du weißt so gut wie ich, unter welchem Einfluss er steht, und zu was ein Schöpfer seinen Zögling veranlassen kann. Wir wissen, dass Dahlia sich irgendwo dort aufhielt, nachdem sie verwandelt worden ist. Sie wäre zu schwach gewesen, einen weiteren Vampir zu erschaffen. Cyrus hat ihn nicht verwandelt, das hätte ich gesehen, als ich ihn erschuf. Da bleibt nur noch der Souleater übrig. Du hast selbst gesagt, dass er dich zwang, Dinge zu tun, die du nicht machen wolltest.“
Ich sah in Nathans Augen, dass einige Sekunden lang in ihm ein Kampf zwischen abnehmendem Ärger und Akzeptanz tobte. Ich hoffte, dass gesunder Menschenverstand dieOberhand gewinnen würde, aber sein ursprünglicher Beschützerinstinkt brachte Nathan dazu zu fluchen, bevor er aus dem Zimmer stapfte.
Ich spürte Verzweiflung in mir aufsteigen. Ich wollte nicht, dass er zu Ziggy ging. Möglicherweise würde er das nicht überleben. Und ich wollte nicht, dass es noch eine weitere Person in Nathans Leben gab.
Hörst du dir ei gentlich selbst beim Den ken zu?, schimpfte ich mit mir. Es ist sein Sohn. Sein Sohn!
Aber das war mir gleichgültig. Mir ging es nur um die Traurigkeit, die unerträgliche Traurigkeit, die ich spürte, wenn ich daran dachte, dass er jemanden, irgendjemanden mir vorzog. Ich wusste nicht, woher das kam, und ich wusste, dass es blöd war, meine Gedanken rechtfertigen zu wollen. Ich benahm mich wie ein großes Baby. Das wusste ich – jeder, der meine geheimen gestörten Gedankengänge kannte, hätte das gewusst –, aber ich konnte mir nicht helfen. Und darüber hinaus hasste ich es, wenn ich keine Kontrolle mehr hatte.
Ich holte Nathan in der Eingangshalle ein. Er sah mich nicht an, sondern konzentrierte sich stattdessen darauf, den Garderobenschrank zu öffnen und ihn durchzusehen. „Ich muss los.“
„Du musst los?“ Ich schaute zu den verschlossenen Fensterläden hoch.
„Erst einmal muss ich ein paar Sachen packen. Ich will nicht ohne Waffen gehen.“ Er zog eine Armbrust hervor, eine der Waffen, die wir in einem Reservereifen verborgen über die Staatsgrenze geschmuggelt hatten. „Ich gehe jetzt Ziggy holen.“
Ich kämpfte gegen das Bedürfnis an, ihm ein letztes Mal zu sagen, er sollte nicht gehen. Ich musste diese verdammte Eifersucht zügeln. Ich hatte Nathan schon einmal verloren –okay, vielleicht waren es mittlerweile auch unzählige Male – und ich hatte keine Lust, das noch einmal durchzumachen.
„Er hat mich gebeten, ihn zu treffen. Drüben in Grand Rapids. Ich würde dich bitten, mitzukommen, aber wie du schon sagtest, könnte das eine …“
„Falle sein?“ Ich zwang mich, meine Hände weiterhin auf meine Hüfte gestützt zu lassen, um nicht zu konfrontativ zu wirken. „Meinst du?“
„Mein Sohn ist am Leben. Und ich werde ihn holen gehen.“ Mit starrem Blick sah mich Nathan an, als wollte er mich herausfordern.
Mit Herausforderungen gehe ich nicht sonderlich besonnen um. „Sei doch nicht blöd! Nathan, wie viel Zeit ist jetzt verstrichen? Warum hat er nicht schon früher zu dir Kontakt
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