Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
aufgenommen? Du weißt, wenn du ihn jetzt suchst, dann wirst du am Ende sterben. Du denkst nicht nach!“
„Nein, ich denke nicht über dich nach!“ Er warf die Armbrust auf den Boden, wo sie mit ohrenbetäubendem Lärm auf dem Marmor aufschlug. „Du bist nur genervt, weil ich mich mal einen Augenblick lang nicht um dich kümmere. Seit dem ersten Abend, an dem wir uns kennengelernt haben, bin ich Carriezentriert gewesen! Was meinst du, wie lange soll ich noch mit dir zusammenbleiben, während du mich bestrafst?“
„Ich bestrafe dich?“ Ich erschrak über meine eigene schrille Stimme. „Wofür sollte ich dich bestrafen?“
„Was weiß ich denn! Aber seitdem du mit Max nach Chicago gekommen bist, machst du nichts anderes, als mich zu bestrafen. Es tut mir leid, okay? Beendet das diese idiotische Fehde, die du gegen mich austrägst? Es tut mir leid, dass ich mich nicht gleich auf den ersten Blick in dich verlieben und die Erinnerungen an meine Frau und die Liebe zu meinem Sohn aufgeben konnte. Es tut mir leid,dass ich mich für dich nicht rechtzeitig zusammengerissen habe!“
„Darum geht es doch gar nicht!“ Ich ging ihm nach, als er in die Küche stolzierte und fing die Tür ab, bevor er sie mir vor der Nase zuschlagen konnte. „Was habe ich dir denn bloß getan?“
Rasch drehte er sich mit wutverzerrtem Gesicht zu mir um. „Du hast mit Cyrus geschlafen! Ich bin kein Idiot, und ich kann deine Gedanken lesen. Während ich verhext war, hast du mit Cyrus geschlafen, und dann bist du nach Chicago gefahren, weil du glaubtest, dass wir eine gewisse Zeit voneinander getrennt sein sollten. Und als ich wiedergekommen bin, als ich so weit war, ja genau, dir zu sagen, dass ich dich liebe, und dass ich mit dir zusammen sein wollte, bist du hingerannt und hast ihn verdammt noch mal wieder erschaffen!“
„Ich hatte keine andere Wahl!“ Dieser Streit wurde zu einer kranken Operation für Forschungszwecke, bei der man durch Narbengewebe schneidet, um zu sehen, wie tief es geht. Ich dachte, wir hätten den Streit wegen Cyrus schon hinter uns, aber Ziggys plötzliches Auftauchen aus dem Grab schien alle alten Wunden wieder geöffnet zu haben.
Ich wusste, worauf er hinauswollte, noch bevor er überhaupt die Sätze ausgesprochen hatte. „Du hast es gemacht, weil du es wolltest. Du bist so verloren und wirst so verzweifelt, wenn jemand sich nicht mehr auf dich konzentriert. Dann tust du immer alles, um wieder die Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen. Wenn du mich ständig in zwei Richtungen zerrst, mich anflehst, bei dir zu bleiben, und mich gleichzeitig wegschubst, dann hast du, was du willst, nämlich ein sehr aufmerksames Publikum.“ Er senkte seine Stimme, sie klang tödlich sanft in der ohrenbetäubenden Stille des Zimmers. „Nun, ich habe dir geholfen, als niemandsonst dir helfen konnte. Ich habe dir bei deiner Verwandlung geholfen. Ich habe dir geholfen, als du mir den Rücken gekehrt hast, um zurück zu Cyrus zu gehen, und das hat mich meinen Sohn gekostet. Ich habe dir sogar dabei geholfen, über seinen Tod zu trauern. Nie habe ich dafür etwas von dir verlangt, aber ich bin mir verdammt sicher, dass du es mir nicht geben würdest, auch wenn ich darum bäte. Also jetzt nehme ich etwas. Ich nehme meine Aufmerksamkeit von dir, um loszuziehen und meinen Sohn zu holen, um ihn hierher zu bringen, wo er sicher ist. Du kannst so eifersüchtig sein, wie du willst. Meinetwegen kannst du mich hassen, aber mehr bekommst du von mir nicht.“
Blind vor Wut und wild entschlossen ging er ohne seine Waffen zur Tür hinaus.
Ich wollte ihm nachrennen, ihn anschreien, allerdings nicht, um ihn zu warnen oder ihm zu versichern, dass er im Recht sei. Allein weil er Cyrus erwähnt hatte, öffneten sich die Blutsbande, die mich mit ihm verbanden. Aber es gab niemanden am anderen Ende. Cyrus war tot, er war in dem wässrigen Blau untergegangen, in das Vampire verschwanden, wenn sie starben. Es war ein roher Schmerz, fast körperlich spürbar, wie ein durchtrennter Nerv, der sich streckt, um sich wieder mit dem verloren gegangenen Ende zu verbinden. In Verbindung mit dem Stress, den ich bereits spürte, warf mich das um. Ich musste mich am Geländer abstützen, um nicht die Treppe zu den Gästezimmern im dritten Stock hinunterzufallen. Nichts stimmte. Alles war unwirklich.
Ich stürzte ins Schlafzimmer und starrte wütend die Vorhänge an, das Bett, den Fernseher. Wie konnten es diese Objekte wagen zu existieren, während ich
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