Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
Mobiliar wieder auf. „Okay. Hier gibt es sowieso nichts mehr, das ich haben möchte. Die kleine Nutte trug nur ‚normale‘ Sachen.“
„Brav, Dahlia.“ Er öffnete die Tür für sie und widerstand seinem Impuls, sie die Treppe hinabzuschubsen.
Draußen wartete ein Wagen auf sie, der Fahrer lehnte an der Tür. Zum ersten Mal wurde sich Ziggy bewusst, mit wie vielen Angestellten, die Menschen waren, und deren Namen er nicht kannte, er jeden Tag umging. Verdammt, weder sah er sie richtig an noch fragte er sich, wie zur Hölle sie darauf kamen, für Vampire zu arbeiten.
„Machst du mir irgendwann noch mal die Tür auf, oder willst du da noch länger herumstehen und diesen Schwanz anstarren?“ Dahlia drängte Ziggy zur Seite und streckte die Hand nach dem Türgriff aus. „Du bist manchmal echt widerlich, weißt du?“
Nein, ich bringe sie nicht um. Ich werde sie nicht umbringen. Bis sie auf dem Highway waren, wiederholte er dieses Mantra unablässig, während er seine Stirn gegen das kühle Glas presste. Grand Rapids wirkte leer und fremd. Es war einfach das Bewusstsein, dass Nate nicht hier war. Er war fort. Auch nachdem er ihm über Max eine Nachricht hatte zukommen lassen. „Ich komme nach Hause. Warte auf mich. Ich werde in einigen Tagen da sein.“ Wie deutlich konnte man es noch machen? Er wusste, dass Max nicht der Typ Mensch war, der so etwas Wichtiges vergaß. Mindestens hätte er etwas erwähnt wie: „He, und übrigens, dein toter Sohn ist gar nicht so tot.“ Da er also wusste, dass Ziggy am Leben war, und da er Jacob kannte, warum hatte Nate dann nicht auf ihn gewartet?
Dahlia brabbelte weiter sinnloses Zeug. Dieses Mädchen konnte einfach nie den Mund halten. Wenn sie mit ihm zusammen war, dann hieß es meistens „du Schwuler hier“ und„du bist ein Homo da“. Das konnte er ganz gut ausblenden. Es war ihm sogar gelungen, sie für einige Tage zum Schweigen zu bringen, als er sie zum ersten Mal wissen ließ, dass er mit Cyrus geschlafen hatte, womit Dahlias erster Vampirliebhaber ebenfalls ein „Homo“ war. Wann immer sie sich in Jacobs Gegenwart befand, sagte sie kaum etwas. Es war fast, als sei sie verrückt, reimte sich Ziggy zusammen. Wenn man wirklich verschiedene Stimmen im Kopf hatte, dann war es wahrscheinlich leicht, sich unterschiedlichen Menschen gegenüber so andersartig zu verhalten.
Das war ein Trick, den er lernen musste. Besonders, wenn er mit Jacob zusammentraf.
Der Wagen fuhr von der South Beltline herunter auf die 37 und bog rechts ab, wo sie zu einer einfachen zweispurigen Straße wurde. Sie fuhren an einigen kleineren Häusern vorbei, Landhausstil mit Swimmingpools und Kinderschaukeln im Garten. Leute lebten dort. Kinder lebten dort. So nahe am Bösen und sich nicht bewusst, dass es existierte. Er unterdrückte ein Schaudern, als er an diese Menschen dachte und daran, was mit ihnen passieren würde, falls es Jacob plötzlich einfallen würde, sie für seine sadistischen Spielchen zu missbrauchen.
Irgendwann würde das geschehen. Ständig gab es ein neues tolles „Spiel“, das ihm Spaß machte. „Komm und spiel ein Spiel mit mir, Lieblingssohn“, hatte er oft gelockt, und dann sah das Spiel immer so aus, dass sich Ziggy am Ende schmutzig und benutzt fühlte.
Jacob mochte es zuzusehen.
„Auch egal, du hörst mir ja noch nicht einmal zu“, stieß
Dahlia zwischen geschürzten Lippen aus. „Ich schwöre dir, du bist wahrscheinlich der langweiligste Mensch auf diesem Planeten.“
Er schnaubte und lehnte den Kopf gegen das Fenster.
„Worüber sprachst du gerade?“
Dahlia murmelte etwas Unverständliches. Wenn es sich wie ein Zauberspruch angehört hätte, wäre Ziggy besorgter. Jacob hatte ihr einige strenge Regeln aufgestellt, was das austeilen von Zaubersprüchen anging, aber, worauf Dahlia oft gern hinwies, war Jacob ja nicht da.
Sie bogen auf eine Schotterstraße ein, die von Rohrkolben und anderen Gräsern gesäumt war, die Autofahrer davor warnten, vom rechten Weg abzukommen, wenn sie nicht riskieren wollten, dass ihr Fahrzeug bis in alle Ewigkeit als Sumpfgefährt endete.
Die neuen Buden, in die sie Jacob hatte ziehen lassen, waren nicht so schön wie die Villa. Aber seitdem sich einmal jemand ins Herrenhaus eingeschleust hatte, konnte das immer wieder passieren, und Jacob war ziemlich paranoid, das konnte man wohl so sagen. Wiederum bogen sie von der Straße auf eine überdachte kleine Brücke ab, die unter der Last des Wagens ächzte, als
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