Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
eine Festung, einen Zufluchtsort gesehen. Ein Schutzgebiet. Und dann, als ich länger dort wohnte, war es für mich ein Zuhause geworden. Aber nun wirkte das Appartement kalt und abweisend, als seien die Wände Lebewesen, die uns alle früher oder später unseren Feinden ausliefern würden. Als seien sie fertig mit uns, obwohl sie uns noch beherbergten.
„Ich sage es ungern, Leute, aber ihr habt mein Auto so gut wie zerstört und meine Existenzgrundlage ruiniert.“ Bill ordnete einen Stapel verschandelter Ringbücher zurück in ein Regal. „Ihr könntet mich wenigstens zurück nach Chicago fahren.“
„Noch nicht.“ Nathan brachte die Antwort hervor, als habe er schon die ganze Nacht darüber nachgedacht. „Es tut mir leid, aber du bist für uns eine zu große Bürde. Wir kennen dich nicht so gut, und wir haben keine Ahnung, für welche Leute du arbeitest.“
„Dann ist er also eine Geisel?“ In Ziggys Stimme lag plötzlich etwas Blutrünstiges und Gieriges, was ihm gar nicht ähnlich sah.
Nathan zuckte mit den Schultern. „Sozusagen. Aber wir werden einen Weg finden, wie wir dir die Zeit und das Einkommen, das du durch uns verloren hast, wiedererstatten können. Nur im Moment kann ich mir darüber keine Gedanken machen.“
Bill ließ sich Nathans Worte durch den Kopf gehen. Seine Unzufriedenheit war offensichtlich. „Ich denke, ich könnte an einem schlimmeren Ort festsitzen. Aber ich kann nicht behaupten, dass ich schon mal eine Geisel war, und so ganz und gar recht ist es mir nicht. Ich bin nicht hier, um euch bei eurem großartigen noblen Plan zu helfen, die Welt zu retten.“
Das stimmte, und zu Recht war er auf uns böse. Wir hatten ihn nie darum gebeten, uns zu helfen, und unzweifelhaft hatten wir seine Hilfsbereitschaft ausgenutzt. Und jetzt war er unsere Geisel. Ich fragte mich wieder, ob er zu Hause vielleicht Familie hatte, die auf ihn wartete, und von der wir ihn fernhielten.
„Bill, danke vielmals für deine ganze Hilfe.“ Natürlich musste er denken, dass mein Dank ein wenig zu spät kam, wenn man bedachte, dass er gerade eben erfahren hatte, dass er unser Gefangener war. Aber er sollte wissen, dass wir es ihm immerhin dankten. „Wirklich, du hast mehr getan, als nötig war.“
„Und das wird er auch weiterhin“, fügte Nathan fröhlich hinzu. „Er ist ein guter Mensch.“
Ziggy ging die Treppe hinunter zur Tür, die auf die Straße hinausführte. „Also, wie sichern wir die Wohnung ab? Das hier ist ja nicht der Reichstag.“
„Zwei schieben Wache, während die anderen zwei schlafen. Wir machen Vier-Stunden-Schichten“, gab Bill schnell bekannt. „Einer bleibt hier oben, der andere geht in den Buchladen, das scheint sinnvoll zu sein. Habt ihr Walkie-Talkies?“
„Sag mal, warst du beim A-Team oder so?“, stichelte Ziggy, und ich musste in mich hineinlächeln. Er fing wieder an, so zu klingen, wie ich ihn in Erinnerung hatte.
„Bill war früher bei den Marines“, sagte Nathan in derselben geduldigen Tonlage, in der man jemandem erklärt, warum sich ein geistig behinderter Verwandter so seltsam benimmt.
Ich nahm das Buch mit den Zaubersprüchen zur Hand, das ich auf dem Weg in die Wohnung aus dem Auto mitgenommen hatte. „Wie wäre es hiermit? Dahlia hat doch jede Menge Sprüche zum Schutz und zur Abwehr in ihrem Buch stehen. Da muss es doch auch etwas geben, mit dem man Gebäude schützen kann.“
Stirnrunzelnd nahm mir Nathan das Buch aus der Hand. „Wahrscheinlich überflüssig. Dahlia schien mehr mit destruktiven Dingen beschäftigt gewesen zu sein als mit Sachen, die irgendwie positiv sind. Vielleicht sind aber einige kleinere Absätze darin, die es wert wären, angeschaut zu werden.“
„Gut. Das machen wir, während Bill und Ziggy sich nach Blut umsehen.“ Ich drehte mich zur Tür um und sperrte sie auf. „Wir machen das im Buchladen.“
„Wie niedlich.“
Die Stimme ertönte vom Fuße der Treppe. Mein Mund wurde trocken, und meine Kehle schmerzte. Das war ungünstig, denn mein Herz war dabei, bis zum Hals zu pochen.
„Wollt ihr mir nicht einmal guten Tag sagen?“
„Max!“ Ich kam wieder zu Stimme, noch bevor er den obersten Treppenabsatz erreicht hatte. Und sobald er im Türrahmen stand, funktionierte bei mir auch wieder der Schluckreflex. Max spannte alle Muskeln an, um sich für meine Umarmung zu wappnen, aber er entspannte sich wieder, als ich einfach meine Arme um ihn schlang.
„Ich freue mich auch, dich zu sehen.“ Er lachte und drückte
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