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Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen

Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen

Titel: Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Armintrout
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die Seite in Flammen aus und sank als Asche auf den Boden, um dort als kleines ordentliches Häufchen liegen zu bleiben.
    Verwende die Asche.
    Ich wusste, dass es Dahlias Blut in meinen Adern war, das mich weiter anstachelte und mich bestärkte, weiterzumachen, den Zauberspruch umzusetzen, bevor ich noch einmal in Ruhe darüber nachdenken konnte. Allerdings konnte ich keine Arglist in dem Gesagten entdecken. Vielleicht war das auch ein Trick von ihr, aber irgendwie konnte ich das nicht glauben. Sie war so neugierig und aufgeregt, genau wie ich. Da sie schon immer eine Opportunistin gewesen war, würde sich Dahlia die Chance nicht entgehen lassen, zu schauen, ob ihr Zauber funktionierte, auch wenn es zu ihrem eigenen Nachteil sein sollte.
    Ich kniete mich auf den Boden und hob die Asche mit einer schöpfenden Bewegung auf, um sie wieder fallen zu lassen. Fasziniert sah ich dabei zu, wie sie in tänzelnden Kreiseln wieder auf die Bohlen fiel. Ich dachte an meine Eltern, an ihre sterblichen Überreste, die auch zu Asche geworden waren. Ihre Urnen standen in einer teuren Marmorgruft viele Meilen entfernt. Ich stellte mir vor, ich berührte den Kohlenstoff, der einst mein Vater und meine Mutter gewesen war. Ich verwandelte mein Gesicht, um mit meinen Reißzähnen in meine Fingerspitzen einzustechen. Sofort quoll Blut hervor: rot und unbezähmbar. In einer seltsamen Anwandlung dachte ich daran, meine beiden Eltern wiederzuvereinigen und ihnen Leben einzuhauchen, so wie ich diese Asche wieder lebendig machen wollte. Würde ich sie wieder ganz herstellen können, so wie sie vor dem Unfall gewesen waren? Wie im Traum sah ich das Blut von meinen Fingerspitzenrinnen und auf die graue Asche fallen. Wäre es möglich, alles miteinander zu vermischen – meinen Vater, meine Mutter, mein Blut, meinen toten Zögling, seine Asche überall verstreut, sodass ich sie niemals finden konnte? All das zu vermischen und als etwas Ganzes auferstehen zu lassen?
    Ich stellte mir vor, dass dieses Endprodukt ich sein würde, gemacht aus Asche. Eine Kreatur aus verschiedenen Grauschattierungen, die ihre brüchigen Arme und Beine bewegen würde und die in einer Böe davonflog. Ich sah vor mir Augen, die aussahen wie meine, Lippen, die aussahen wie meine, aber alles war flüssig und blutig, als rinne Blut in den Zwischenräumen der Asche wie abnorme Risse in einem Grau, wie eine düstere Parodie auf einen Harlekin als Fötus.
    Das Wesen, das ich vor mir sah, streckte die Arme nach mir aus und begann zu sprechen, aber es drangen keine Worte aus seinem Mund. Ich besaß keine Sprache. Um den Zauberspruch auszuführen, um meinen Golem zu erschaffen, brauchte ich Worte. Ich hatte Worte benutzt, um ein Feuer zu erschaffen und es ebenso wieder zum Erlöschen zu bringen. Diese Elemente schienen so trivial angesichts der Macht, die ich jetzt mit der Erschaffung einer Kreatur ausübte. Als das Wesen den Mund öffnete, öffnete ich auch meinen, und ich sah, wie sich dort zwischen Herz und Magen ein Wort formierte. Es wand sich wie die Feuerschlange, die ich vor meinen Augen gesehen hatte. Dann schoss es vor, als wollte es die Kreatur angreifen. Weder konnte ich verstehen, was ich sagte, noch hatte ich einen Schimmer, was ich ausdrücken wollte. Aber als die Stimme aus meinem Mund herausgebrochen war, blieb ich wie ein leeres Gefäß zurück. Ich brach zusammen, der Klang der seltsamen Worte hallte noch in meinen Ohren: „Shem. Shem gal’mi. Gal’mi emet. Azel Balemacho!“ Als ich die Augen öffnete, sah ich einen Mann. Er ähnelte nicht dem Wesen, das ich mir vorgestellt hatte. Sein Gesicht, war es auch weiß, war fest und auf alle Fälle real, kein Konglomerat aus Asche und Blut. Seine Lippen und Augen waren auch nicht so, wie ich sie zuvor gesehen hatte, aber sie waren so grau wie der Rest. Er war kahlköpfig, seine Erscheinung war unauffällig. Außer, dass er grau war, war nichts an ihm ungewöhnlich. Das, und die Tatsache, dass er zuvor nicht in diesem Raum gestanden hatte.
    Er starrte auf mich hinab, weder verwirrt noch intelligent oder mich bedauernd. Auch schien er sich nicht über meine Anwesenheit zu wundern. Er war Tabula rasa, ein unbeschriebenes Blatt, das auf meine Anweisungen wartete.
    „Ich muss jetzt schlafen“, teilte ich ihm mit. Meine Stimme war rau, als hätte ich Rasierklingen in der Kehle gehabt. „Bleib genau dort.“
    Er nickte einmal, und ich fiel in einen unruhigen unausweichlichen Schlaf.

9. KAPITEL
    Fallen
    Das Wasser wurde

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