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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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ihre Mitarbeiter hatten. Für die Aufklärung eines Verbrechens benötigte man Phantasie, Zeit, Raum, Geduld, Neugier. Becker hatte nichts davon. Er war ein Bürokrat, der sich hochgedient hatte.
    Laura ließ ihre Augen über die Hänge des Monte Amiata wandern. Becker spielte keine Rolle, eigentlich. Nur: Er hatte Macht über sie. Er konnte sie um ihre Existenz bringen. Konnte er wirklich? Gab es, verdammt nochmal, nicht auch andere Möglichkeiten, als Polizeikommissarin zu spielen? Sie könnte beispielsweise eine europäische Detektei gründen, mit Guerrini als Verbindungsmann in Italien. Laura musste über ihre eigenen Gedanken lächeln. Sie war doch die Tochter ihres Vaters! Nie aufgeben, immer Auswege finden! Das Leben träumen, wie es sein könnte!
    Plötzlich wurden die Wiesen links und rechts der Straße wunderbar grün. Mittendrin, geschützt von drei großen Edelkastanien, ein Haus, klein, grau, zusammengefügt aus Steinen. Neben dem Haus ein Ziehbrunnen, Ziegen mit großen gebogenen Hörnern, ein kleiner Hund, der bellend dem Wagen entgegenlief.
    «Halten Sie an!», sagte Franco heiser. «Es ist besser, wenn ich erst mit meinem Onkel rede. Er ist es nicht gewöhnt, dass die Polizei zu ihm heraufkommt. Er könnte Angst bekommen und …»
    «Was und?» Pucci drehte sich heftig um.
    «Nichts … nichts und. Es wäre nur besser, Maresciallo, besser, wenn ich Sie ankündige.»
    «Gehen Sie, Franco!», sagte Guerrini.
    «Ich weiß nicht, ob …» Pucci gab nicht auf.
    «Ich trage hier die Verantwortung, Maresciallo!» Guerrinis Stimme klang scharf, und Laura war froh, dass er nicht von Befehlsgewalt, sondern von Verantwortung sprach. Auch dafür konnte sie ihn lieben.
    Franco Rana stieg langsam aus dem Wagen und ging auf das Haus zu. Der Hund begrüßte ihn, folgte ihm zur Tür. Beide verschwanden. Fünf Minuten vergingen, zehn.
    «Tja», murmelte Guerrini, «dann sollten wir vielleicht nachsehen.»
    «Verdammt gute Idee, Commissario. Ich dachte schon, Sie würden nicht von selbst draufkommen.»
    Guerrini lächelte.
    «Wissen Sie, Pucci, Ihre jungen Kollegen haben sehr gute Umgangsformen und sie würden am liebsten ständig vor mir strammstehen. Ich halte ja nicht viel von solchen Dingen, aber wenn Sie so weitermachen, dann werde ich Sie strammstehen lassen!»
    Pucci zog leicht den Kopf ein, und Laura beobachtete, wie sich in seinem Nacken eine Speckrolle bildete. Er antwortete nicht, sondern öffnete die Wagentür und hatte gerade einen Fuß auf den Boden gestellt, als ein Schuss durch das Tal dröhnte und vom gegenüberliegenden Berghang zurückgeworfen wurde. Erschrocken zerrten die Ziegen an ihren Stricken.
    «Dio buono!» , fluchte Pucci, zog sein Bein wieder zurück und starrte zum Haus hinauf. Ein kleiner alter Mann stand in der Tür, schwenkte ein Gewehr, drohte mit der Faust.
    «Haut ab!», schrie er. «Verschwindet! Ihr werdet ihn nicht kriegen! Einen Rana sperrt ihr nicht ein! Nie wieder!»
    Pucci ging hinter seinem Steuerrad in Deckung.
    «Gratuliere, Commissario!», murmelte er.
    Guerrini beachtete ihn nicht. Er lehnte sich aus dem Seitenfenster des Jeeps und rief:
    «Wir wollen Giuseppe nicht einsperren, Signor Rana. Wir wollen nur mit ihm reden!»
    Der alte Mann machte zwei Schritte auf den Wagen zu, das Gewehr im Anschlag.
    «Mit Giuseppe kann man nicht reden! Niemand kann mit ihm reden! Er ist verrückt, matto ! Haut schon ab!»
    «Wo ist Franco?» Guerrini beugte sich weiter vor. Da gab der Alte einen zweiten Schuss ab – einfach in den Boden, knapp vor dem Jeep. Ein bisschen Staub wirbelte auf, Guerrini zuckte zurück.
    «Wo ist Franco?», wiederholte er.
    «Bei seinem Bruder!», brüllte der Alte. «Beim nächsten Schuss ziele ich höher! Verschwindet endlich!»
    «Fahren Sie weiter!», sagte Guerrini und kurbelte sein Fenster hoch.
    «Was?» Pucci kauerte schräg auf dem Fahrersitz, bemüht, seinen Kopf möglichst tief zu halten.
    «Fahren Sie langsam auf das Haus zu!»
    «Ich bin doch nicht lebensmüde. Wir sollten Verstärkung anfordern, ehe wir hier irgendwas unternehmen. Diese Ranas sind alle verrückt!»
    «Ich habe gesagt, Sie sollen auf das Haus zufahren, Pucci! Langsam! Und passen Sie auf, dass Sie den alten Mann nicht verletzen!»
    Laura lugte zwischen den Sitzen hindurch. Das Haus war ungefähr fünfzig Meter entfernt. Der Alte stand auf dem Weg, als forderte er sie auf, ihn zu überrollen.
    «Ist das Ihr Ernst, Commissario?»
    «Fahren Sie schon!»
    Pucci behielt den Kopf
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