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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Fragen zu stellen, dachte sie. Die beiden versuchen, ein Idealbild ihrer Tochter zu malen. Vielleicht ganz verständlich … würde ich anders reagieren, wenn man mich nach meinen Kindern fragte? Ja, das würde ich. Aber ich bin bei der Kripo. Ich weiß, dass es zu nichts führt, wenn man Idealbilder zeichnet. Es hilft nicht einmal den Toten.
    «Könnten wir vielleicht noch kurz einen Blick in Carolins Zimmer werfen? Danach werden wir Sie nicht  mehr länger belästigen. Haben Sie Freunde oder Verwandte, die Ihnen beistehen können?», fragte sie.
    Wieder schüttelte Eva Wolf den Kopf.
    «Wir brauchen niemanden.» Es klang schroff.
    «Sind Sie sicher? Wir könnten den Anruf übernehmen.» Baumann warf Laura einen fragenden Blick zu. Sie zuckte leicht mit den Achseln und erhob sich.
    «Das Zimmer …»
    «Ja, das Zimmer … ich komme.» Diesmal stand Carolins Mutter auf, ohne zu wanken. Sehr aufrecht ging sie vor den beiden Polizeibeamten her, wies den Weg durch den Flur, die Treppe hinauf in den ersten Stock. Der alte Wolf blieb sitzen und starrte stumm in sein Glas.
    Laura versuchte die Atmosphäre des Hauses noch genauer in sich aufzunehmen. Weinroter, weicher Teppichboden auf den Treppen, dem oberen Flur. Vergoldete florentinische Wandlampen. Weinroter Teppich auch in dem großen Zimmer, dessen Tür Eva Wolf nach kurzem Zögern öffnete. Auf dem breiten Bett eine Seidendecke in verschiedenen Rottönen, ein schwarzer Schreibtisch in einem Erker, der zum Garten hinausging, ein Bücherregal, ein antiker Kleiderschrank. Über dem Bett hing ein großes modernes Gemälde, ebenfalls in Rot. Laura glaubte, einen männlichen Akt darauf zu erkennen, und sah sich irritiert um. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass dieses Zimmer von einer jungen Frau bewohnt wurde, von einer Studentin, die gerade aus einer WG ausgezogen war. Eigentlich wirkte das Zimmer unbewohnt – nichts lag herum, keine Hefte oder Bücher, keine Kleidungsstücke oder persönlicher Krimskrams.
    «Ihre Tochter war sehr ordentlich!», stellte Baumann fest.
    Eva Wolf seufzte und senkte den Kopf.
    «Nein, sie ist nicht sehr ordentlich. Ich habe aufgeräumt … nachdem sie abgereist war. Ich habe auch das Zimmer für sie eingerichtet. Sie liebt Rot.»
    «War Ihre Tochter damit einverstanden?», fragte Laura.
    Eva Wolf ging zum Fenster und strich über die roten Samtvorhänge.
    «Nein», erwiderte sie und sah Laura nicht an. «Nein, sie war nicht damit einverstanden. Aber ich wollte ihr eine Freude machen.»
    Laura öffnete den Kleiderschrank, starrte auf die Stapel edler, säuberlich zusammengelegter Unterwäsche in den Fächern, auf die Blusen und Pullover, die Röcke, Kleider, Hosen, aufgereiht wie in einer Boutique.
    «Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen, als Sie hier Ordnung machten. Briefe, Zettel, ein Foto …?»
    «Nein, nichts!»
    Sie lügt, dachte Laura. Sie versucht ihre Tochter zu beschützen.
    «Was war das für eine Gruppe, mit der Ihre Tochter in die Toskana gefahren ist?»
    Eva Wolf fuhr plötzlich herum, und ihr Gesicht entgleiste für einen Augenblick.
    «Ich weiß es nicht! Sie hat nichts gesagt! Dass sie etwas klären müsste, für sich selbst. Das hat sie gesagt. Etwas über sich herausfinden. Ich war dagegen, mein Mann auch!»
    Die wunderbare Tochter bekommt ein paar Flecken, dachte Laura, und ihr Blick blieb an einem großen Foto hängen, das in einem Silberrahmen auf dem Schreibtisch stand. Es zeigte das lächelnde Gesicht eines jungen Mädchens. Aber nur der Mund lächelte. Um die Augen lag ein Schatten.
    «Ist das Ihre Tochter?» Laura nahm das Bild in die Hand.
    Eva Wolf nickte.
    «Finden Sie es nicht seltsam, wenn eine junge Frau ihr eigenes Bild auf den Schreibtisch stellt? Normalerweise stehen da Bilder der Familie oder des Freundes.»
    Carolins Mutter senkte den Kopf und strich wieder über den Vorhang.
    «Ich habe es hingestellt», antwortete sie so leise, dass Laura und Baumann sie kaum verstehen konnten. «Ich stelle es immer hin, wenn sie nicht da ist.»

« H orror!» Als sie wieder im Auto saßen, wartete Baumann ein paar Minuten, ehe er den Wagen anließ.
    «Darf ich jetzt fahren?»
    «Klar!» Laura lehnte sich zurück und massierte ihren Nacken.
    «Kannst du dir vorstellen, dass deine Mutter ein Zimmer für dich einrichtet – in Rot, wie in einem eleganten Bordell? Und dass sie dein Bild auf den Schreibtisch stellt, wenn du nicht da bist?»
    «Nein», antwortete Laura. «Aber wenn sie es getan hätte, dann wäre ich

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