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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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kalten Leibern, an deren Zehen ein Zettel hängt.
    Der Totenwächter war blass, auf seinen Wangen und seinem Kinn zeichneten sich winzige schwarze Bartstoppeln ab. Er kannte Guerrini, nickte ihm zu.
    «Die Deutsche?», fragte er.
    «Ja, die Deutsche», antwortete der Commissario.
    Der Totenwächter führte sie in einen großen Raum, dessen Wände aus Kühlfächern für Leichen bestanden,   ging ohne zu zögern nach rechts und zog eine der Schubladen auf.
    «Bitte!», sagte er und trat einen Schritt zurück.
    Laura starrte auf den entsetzlich weißen Fuß, an dessen großem Zeh ein Zettel mit der Aufschrift «Carolin Wolf» befestigt war. Die Zehennägel waren orangefarben lackiert. Nur dieser Fuß lugte unter dem grünen Tuch hervor, mit dem die Leiche bedeckt war.
    «Soll ich?», fragte Guerrini leise und näherte seine Hand dem Tuch.
    «Warten Sie. Ich mach es selbst.»
    Laura trat neben den Kopf der Toten und zog behutsam das Laken von ihrem Gesicht. Carolin trug im Tod einen beinahe trotzigen Ausdruck. Die blauen Lippen waren ein wenig zusammengekniffen, spöttisch, die Nase trat spitz hervor. Trotzdem war sie schön. Falls Granelli ihren Schädel geöffnet hatte, und das hatte er wohl, so konnte man nichts davon sehen. Das dunkelblonde Haar fiel weich um ihr Gesicht, die Schürfwunden zogen sich wie feine Nadelstreifen über ihre Wangen.
    Laura betrachtete sie eine Weile, deckte sie dann wieder zu, setzte den nackten Körper der jungen Frau nicht ihren Blicken aus. Und dann fielen ihr plötzlich Sofias Worte ein, als sie von der Toten in der Isar erzählt hatte.
    «Wenn jemand sie gestoßen hat, dann musst du den Mörder finden, Mama!»
    Vielleicht, dachte sie, vielleicht ist auch Carolin gestoßen worden und fiel auf einen Stein. Das wäre eine Möglichkeit.
    «Gehen wir!», sagte sie zu Guerrini. «Ich wollte nur ihr Gesicht sehen. Es ist eine Schande, dass sie so früh sterben musste!»
    Guerrini nickte.
    «Es ist immer eine Schande, wenn Menschen von anderen ermordet werden, nicht wahr? Ganz egal, ob im Krieg, aus Geldgier, Eifersucht oder sonst einem Grund. Ich werde mich nie daran gewöhnen!»
    Als sie dem Totenwächter zunickten, ertönte aus Lauras Rucksack der schrille Ton ihres Handys. Sie musste eine Weile wühlen, ehe sie das Ding fand.
    «Ja!», rief sie endlich in den Hörer.
    «Wer ja? Bist du das, Laura?»
    «Vater», seufzte sie. «Du hast ein echtes Talent, mich anzurufen, wenn ich gerade vor einer Leiche stehe.»
    «Warum stehst du auch dauernd vor Leichen! Deine Mutter wäre nicht glücklich darüber. Es ist nicht gut für dich! Leichen haben etwas Deprimierendes!»
    «Okay! Was hast du auf dem Herzen? Anrufe ins Ausland sind teuer, Vater! Für dich und für mich!»
    «Es ist mir ganz egal, wie teuer das ist. Ich wollte deine Stimme hören und sicher sein, dass dieser verdammte Flieger dich gut nach Florenz gebracht hat!»
    «Hat er, Vater. Ich bin inzwischen in Siena und wünschte, du könntest die Landschaft sehen!»
    «Ich auch. Werd bloß nie so alt wie ich, mein Kind.»
    «Wie geht’s dir?»
    «Schlecht! Wenn du nicht da bist, geht’s mir immer schlecht. Soll ich diesen Baumann reinlassen, wenn er kommt?»
    «Lass ihn rein, Vater. Er ist nett. Vielleicht könnt ihr Karten spielen. Das kann er nämlich auch!»
    «Trinkt er Wein?», fragte Lauras Vater misstrauisch.
    «Klar!»
    «Na ja. Vielleicht lass ich ihn rein.»
    «Bitte, Vater. Lass ihn rein und mach dir einen netten Abend mit ihm. Ich bin sicher, dass er sogar was zu essen mitbringt!»
    «Ich brauch nichts. Hab noch die Hälfte von dem Fraß, den sie heute Mittag abgeliefert haben. Wir müssen unbedingt einen Beschwerdebrief schreiben! Schweine kriegen besseres Fressen als wir alten Leute. Weißt du, was sie heute gebracht haben? Trockenen Schweinebraten mit dunkelbrauner Sauce und zermatschten Bohnen aus der Dose.»
    «Schrecklich», sagte Laura.
    «Ja, schrecklich! Die wollen uns umbringen mit ihrem Fraß, damit wir schnell abkratzen und der Staat Renten spart. Es ist ein Komplott. Da solltest du mal ermitteln. Bin sicher, dass du jede Menge Leichen findest, wenn du dem Mann folgst, der die Töpfe an die Alten liefert!»
    «Jetzt übertreibst du, Vater.»
    «Ach was! Die Leute essen das Zeug, bekommen einen Leberkollaps und sterben eines natürlichen Todes. Keiner kommt darauf, dass es Mord war!»
    «Vater! Du wirst einen Kollaps bekommen, wenn du deine nächste Telefonrechnung siehst! Wir hören jetzt auf, ja? Neben mir steht

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