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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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denkt!»
    Und Laura fielen bei Katharina Sternheims Worten wieder die verrückten Moskitos ein, die sich unsichtbar machen konnten, wenn man sich auf sie konzentrierte. Sie hoffte, dass Rosa Perl sich vor dem Tod verstecken würde, dessen Nähe sie so deutlich zu spüren schien.
    «Können Sie ein wenig bei Rosa bleiben? Ich möchte mit den anderen sprechen und beim Aufräumen helfen.» Katharinas Augen waren geweitet und sehr klar. Die Kraft, die in diesen Augen lag, hatte beinahe etwas Zwingendes. Laura nickte.
    Als die Therapeutin gegangen war, hielt Laura Rosa Perls Hand und streichelte sie und ihr war klar, dass ein Gespräch wieder nicht möglich sein würde. Doch unvermutet atmete Rosa tief ein, richtete sich ein wenig auf und sagte: «Lassen Sie uns hinters Haus gehen, zur Mauer. Dort können wir in Ruhe reden. Sie wollen doch mit mir sprechen, nicht wahr?»
    Laura sah die Malerin erstaunt an.
    «Wir können es auch auf später verschieben.»
    «Nein, nein! Ich hab schon gestern gekniffen. Sie müssen schließlich einen Mord aufklären! Es geht schon. Ich bin nicht so schwach, wie Sie vielleicht glauben. Es war nur … ein so herzzerreißender Tod. Es kam so plötzlich, als … hätte ein böser Geist zugeschlagen. Und ich bin ganz sicher, dass hier in diesem Kloster ein böser Geist herrscht.» Rosa strich sich das Haar aus der Stirn, und der Hauch eines verlegenen Lächelns huschte über ihr Gesicht. «Oder … vielleicht nicht böse … vielleicht einer, der uns alle mit uns selbst konfrontiert. Es ist irgendwie unheimlich.»
    «Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen», erwiderte Laura langsam. «Die letzte Nacht hatte für mich etwas von einem Albtraum. Ich glaubte, der Krieg sei ausgebrochen.»
    Rosa presste die Lippen zusammen.
    «Es liegt an dem Zimmer. Das Zimmer ist ganz besonders unheimlich!»
    «Ich denke nicht, dass es an dem Zimmer liegt. Es gefällt mir eigentlich ganz gut. Die Bedrohung war draußen, bei diesen schrecklichen Riesentraktoren.»
    «Ach, die Traktoren», flüsterte Rosa. «Die sind auch schlimm. Ich stopfe mir jeden Abend die Ohren zu. Sie fangen immer erst gegen vier Uhr an. Aber Katharina meinte, dass sie bald fertig sein müssten, dann gibt es nur noch die Jäger und die Selbstschussanlagen, um die Vögel aus den Weinbergen zu vertreiben.» Ihre Lider zuckten nervös. «Ich möchte hier weg. Lassen Sie uns gehen. Ich möchte das alles nicht sehen!»
    Laura wandte den Kopf. Hubertus Hohenstein hatte die kleine Katze in einen Karton gelegt und trug sie gerade behutsam, wie eine kostbare Last, die Stufen zum Hof hinunter. Britta Wieland und Monika Raab breiteten Zeitungspapier über die Blutlache.
    «Gleich», sagte Laura und wartete, bis Hohenstein verschwunden war. Dann nahm sie Rosas Arm und führte sie zur Treppe. Die Malerin wandte den Kopf zur Seite, vermied jeden Blick auf den Ort des Unfalls. Dicht nebeneinander überquerten sie den Innenhof des Klosters, setzten sich endlich auf die niedrige Mauer. Eine Smaragdeidechse stürzte sich über die Brüstung und verschwand in einer Lücke zwischen den Steinen.
    «Es tut gut, die Sonne zu spüren», flüsterte Rosa. «Mir kommt es immer so vor, als würde ich von der Sonne mit  Kraft aufgeladen, wie eine Batterie.» Mit geschlossenen Augen hielt sie ihr Gesicht der Morgensonne entgegen.
    Laura beobachtete sie. Zum ersten Mal fiel ihr auf, dass Rosa Perl eine unauffällige Eleganz ausstrahlte. Ihr rötliches Haar war gut geschnitten, sie trug kleine goldene Perlen in den Ohrläppchen, ein edles schwarzes T-Shirt und weite dunkelgrüne Hosen, die Laura an orientalische Märchen erinnerten. Die Krankheit gab ihrem Gesicht einen Ausdruck, den Laura nicht genau fassen konnte – nicht leidend, eher asketisch.
    «Also, was wollen Sie wissen?»
    «Erzählen Sie mir etwas über sich – warum Sie hierher gekommen sind, welchen Beruf Sie ausüben, ob Sie Familie haben, wie Sie zu den Menschen hier stehen? Ganz gleich, in welcher Reihenfolge. Wir haben Zeit.»
    Wieder zuckte der Hauch eines Lächelns um Rosas Mund.
    «Wir werden nicht viel Zeit haben, schätze ich. Katharina wird uns demnächst zur Beerdigung der kleinen Katze rufen, und dann geht die Morgensitzung los. Wir befinden uns hier in einem Kloster, die Regeln sind streng!»
    «Fangen Sie einfach an!» Laura spürte, wie Ungeduld in ihr aufstieg. Ihr kam es vor, als ginge das Leben auf der Abbadia weiter und als kümmerte es niemanden ernsthaft, dass Carolin Wolf nicht mehr

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