Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall
Riesenmaschinen wie eine Bedrohung, hatte das Gefühl, als tobe da draußen ein Krieg gegen einen unbekannten Feind oder gegen die Natur und das Leben.
Schaudernd wandte sie sich ab, legte schützend die Arme um ihren Oberkörper und kehrte in ihr Zimmer zurück, warf sich angezogen ins Bett und zog die Decke über den Kopf. Der Schlaf wollte nicht zurückkehren und ihr Herz raste. Die Sonne schien bereits, als sie endlich einschlief, kurz nur, denn der Wecker riss sie wieder hoch. Sie musste zum Frühstück mit der Gruppe. Die Ermittlungen konnten nicht warten. Als sie an diesem Morgen in den Spiegel sah, kamen ihr die Falten in ihrem Gesicht tiefer vor als gewöhnlich, die Schatten unter ihren Augen dunkler. Ihr Kopf fühlte sich dumpf an, als hätte sie zu viel getrunken. Sie duschte kalt, ging dann gemeinsam mit Hubertus Hohenstein über den Hof zur Veranda.
«Haben Sie auch so schlecht geschlafen?», fragte sie.
Er lächelte.
«Ach, Sie meinen die Traktoren? Das ist hier jede Nacht so. Ich stecke mir Ohropax in die Ohren. Anders hält man das nicht aus. Hat Sie niemand gewarnt?»
«Nein», murmelte Laura.
«Das ist nicht besonders aufmerksam», antwortete er mitfühlend. «Ich war überzeugt, dass Katharina Ihnen ebenfalls ein Päckchen Ohropax in die Hand gedrückt hat. Wir alle schlafen mit diesen kleinen Helfern, jedenfalls ab halb vier Uhr morgens.»
«Danke!» Laura schnitt eine Grimasse. «Jetzt weiß ich es jedenfalls.»
«Es tut mir wirklich Leid!» Hubertus ließ ihr den Vortritt auf der Treppe. «Ab sechs Uhr ist meistens wieder Ruhe. Nur ein paar Jäger sind dann noch unterwegs … und wir natürlich. Wir machen jeden Morgen unseren stillen Spaziergang – jeder für sich allein. Es ist eine wunderbare Übung und erinnert mich …» Er verstummte plötzlich, als hätte er etwas Falsches gesagt.
Laura wandte sich zu ihm um.
«An was erinnert es Sie?»
«Ach, nichts … Ich stelle mir dabei manchmal vor, wie die Mönche früher hier gelebt haben. Vermutlich haben auch sie Schweigeübungen gemacht und sind über die Felder gegangen.»
Laura überlegte kurz, was er eigentlich hatte sagen wollen, doch sie war zu müde. Erleichtert sah sie, dass der Tisch bereits gedeckt war und große Kannen mit Kaffee auf sie warteten. Britta Wieland trug gerade den Brotkorb aus der Küche und Monika Raab einen Topf aufgeschäumter Milch. Nachdem alle versammelt waren, senkte Katharina Sternheim den Kopf und sagte leise:
«Lasst uns für diesen Morgen danken und um gute Arbeit bitten. Und lasst uns an Carolin denken, wir wollen Sie begleiten in die andere Welt.»
Eine Minute lang verharrten alle mit gesenkten Köpfen, dann nickte Katharina, lächelte und griff nach dem Brotkorb. Laura schenkte sich eine große Tasse Kaffee ein, goss Milch darüber und trank ein paar Schlucke. Ganz allmählich wurde ihr Kopf wieder klarer. Sie musterte die Gesichter der anderen, fand sie blasser und angespannter als gestern. Susanne Fischer war noch ungeschminkt. Unter ihren Augen lagen tiefe Schatten, als hätte auch sie eine schlaflose Nacht hinter sich. Rolf Bergers Gesichtsfarbe ging leicht ins Gelbliche. Um Britta Wielands Mund lief immer wieder ein nervöses Zucken, und Katharina Sternheims Haare hingen wirr um ihren Kopf, sie wirkte müde und alt. Rosa Perls Züge waren eingefallen, als hätte die Krankheit endgültig von ihr Besitz ergriffen. Nur Hubertus Hohenstein und Monika Raab sahen rosig und beinahe frisch aus.
Laura beschloss, an diesem Morgen mit Rosa Perl zu sprechen, in der Mittagspause mit Susanne Fischer und noch einmal mit Berger, vielleicht auch mit Katharina Sternheim.
Das Schweigen am Tisch war so drückend, dass sie anfing, von den Traktoren zu sprechen, die anderen fragte, wie sie damit fertig würden. Aber ein Gespräch kam nur zögernd in Gang, stockte immer wieder. Katharina erzählte, dass im Jahr zuvor nachts die Stoppelfelder abgebrannt worden waren und alle fürchteten, das Feuer könnte die Abbadia erreichen.
«Es ist ein merkwürdiger Ort», meinte sie nachdenklich. «Man fühlt sich leicht ausgesetzt und bedroht. Sie haben das ja nun auch erfahren, nicht wahr?»
Laura nickte, zwang sich, ein wenig Obst, Käse und Brot zu essen, obwohl sie keinen Hunger verspürte. Endlich erhoben sich alle und begannen den Tisch abzuräumen. Zwei junge Kätzchen flitzten zwischen ihren Beinen umher, drehten sich im Kreis, um ihre eigenen Schwänze zu fangen. Endlich ein Grund zu lächeln. Monika
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