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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Raab goss Milch in eine Untertasse und stellte sie den Kleinen hin. Mit halb geschlossenen Augen schleckten sie, die Schwänzchen in Erregung steil aufgestellt.
    Laura trug eine Kaffeekanne in die alte Klosterküche, einem riesigen Raum mit gewölbter Decke, großem Kamin und einem Herd, der Platz für zehn Töpfe bot. Als sie durch den Gruppenraum auf die Veranda zurückkam, hörte sie einen dumpfen Schlag, dem ein Schrei folgte. Sofort fiel sie in Laufschritt, blieb dann in der Tür stehen und starrte auf die Szene, die sich vor dem großen Tisch abspielte: Eine Bank war umgefallen und hatte eines der Kätzchen unter sich begraben. Hubertus Hohenstein löste sich als Erster aus der Erstarrung, hob behutsam die Bank hoch. Das kleine Tier sprang auf, begann verwirrt über die Veranda zu hüpfen, mit steifen Beinen, taumelnd.
    Zuerst dachte Laura, das Tier stehe unter Schock, sei unverletzt, doch dann sah sie mit Entsetzen Blut aus dem kleinen Schädel schießen, merkte, wie die Sprünge kürzer wurden, verebbten. Plötzlich überschlug sich das kleine Wesen und blieb mit zuckenden Beinen liegen. Eine rote Lache wuchs um seinen Kopf. Katharina und Rosa knieten neben ihm nieder. Wie ein Schatten tauchte plötzlich die Mutter des Kätzchens auf, umkreiste den kleinen Körper, stieß ein zartes lockendes Maunzen aus und begann ihr Kind zu lecken, stupste es immer wieder an, leckte und leckte, als könnte sie so das Leben zurückholen. Zehn endlose Minuten lang mühte sie sich, dann hob sie den Kopf, starrte in die Ferne, als hätte sie von weit her einen Laut gehört, und verschwand ebenso unvermutet, wie sie aufgetaucht war.
    Tränen liefen über Rosas Gesicht. Katharina legte einen Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich.
    «O mein Gott», stöhnte Britta. «Was ist denn hier los? Dieses Kloster muss verhext sein. Ich halte das nicht mehr aus!»
    Katharina murmelte mit ausdruckslosem Gesicht: «Das sind die normalen Dinge des Lebens. Nichts als die Dinge des Lebens. Du als Krankenschwester müsstest das eigentlich wissen.»
    «Aber ich will nicht, dass das Leben so ist! So … grausam und ungerecht! Warum ist diese verdammte Bank eigentlich umgefallen?»
    «Eine der anderen Katzen ist draufgesprungen», antwortete Hubertus leise. «Die Bank steht nicht sehr sicher.»
    «Dann schaffen wir sie weg! Warum ist da bisher niemand darauf gekommen?!» Britta packte die Bank und knallte sie in eine Ecke der Veranda.
    «Und jetzt?», fragte Monika mit aufgerissenen Augen. «Ich … ich kann sie nicht anfassen!»
    «Wir sollten sie begraben!» Katharina stand auf und zog Rosa ebenfalls hoch. «Wir werden sie begraben, weil sie zu uns gehört hat.»
    Hubertus nickte.
    «Ich werde sie solange in den alten Friedhof der Mönche legen. Gibt es hier so etwas wie eine Schachtel?»
    Laura stand noch immer an der Tür zur Veranda, lehnte sich mit der Schulter an die Mauer und sah einfach nur zu, unfähig, etwas zu tun. Trotzdem registrierte sie die Reaktionen der einzelnen Personen. Berger stand am Geländer und schaute auf den Hof hinaus, Susanne Fischer hatte sich in die entfernteste Ecke der Veranda zurückgezogen, als könnte sie auf diese Weise dem Geschehen entfliehen. Ihr Gesicht war fahl, und sie schien mit Übelkeit zu kämpfen. Laura dachte plötzlich daran, dass auch Carolin Wolf durch einen Schlag auf den Kopf gestorben war und das Schicksal des Kätzchens wie eine unheilvolle Wiederholung über die Gruppe hereingebrochen war.
    In diesem Augenblick schwankte Rosa Perl, und Laura sprang neben sie, stützte sie von der anderen Seite, denn beinahe wäre sie Katharina entglitten. Sie führten sie zu einer Bank, drehten sie so, dass sie das Kätzchen nicht mehr sehen musste.
    «Es sind Zeichen», flüsterte Rosa. «Lauter Zeichen, die für mich bestimmt sind. Ich kann es spüren. O Katharina, ich habe solche Angst. Ich will hier weg! Wenn ich hier bleibe, werde ich sterben. Ich weiß es genau. Bitte versuch nicht, mir das auszureden! Du weißt, dass ich Recht habe!»
    Katharina streichelte Rosas Hand.
    «Versuch zu atmen, Rosa», flüsterte sie tonlos. «Ich verstehe deine Angst, aber bitte denk auch nach. Dies war für uns alle ein Schock. Wir alle haben zum zweiten Mal den Tod erlebt. Und wir alle müssen sterben. Carolin ist gestorben, obwohl sie jung und gesund war. Das Kätzchen war noch ein Baby. Vielleicht gelten diese Zeichen nicht dir, Rosa. Bitte denk darüber nach. Wie oft sterben genau die, an die niemand

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