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Nacht des Flamingos

Nacht des Flamingos

Titel: Nacht des Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Nonchalance eines viel jüngeren Menschen.
      »Sie wollten mich sprechen«, sagte Miller. »Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, stehe ich selbstverständlich jederzeit zu Ihrer Verfügung.«
      »Ich habe heute nachmittag Chefinspektor Grant aufgesucht«, berichtete Colonel Craig. »Er gab mir einen umfassenden Bericht, doch er meinte, über die Einzelheiten wüßten Sie besser Bescheid.« Er zögerte einen Augenblick und fuhr dann fort: »Wenn ich nicht irre, hat Harriet Ihnen schon kurz angedeutet, was für Schwierigkeiten es in letzter Zeit mit Joanna gab.«
    »Ja, Colonel.«
    »Man hat mir berichtet, daß sie rauschgiftsüchtig war«, setzte er mit offensichtlicher Anstrengung hinzu.
      »Ja, und das erklärt auch die Wandlung, die in ihr vorging und die sonst völlig unverständlich gewesen wäre«, versetzte Miller. »Die Droge versetzt den Menschen in einen Zustand äußersten Wohlbefindens und beinahe überschwenglicher Lebensfreude. Doch wenn die Wirkung des Heroins nachläßt, fühlt sich der Süchtige krank, unwohl und hat nur einen Gedanken im Kopf – den Zustand der Unbeschwertheit wieder herzustellen. Mit anderen Worten, er braucht eine Spritze. Und solange er die nicht bekommt, ist er reizbar, niedergeschlagen und extremen Gemütsschwankungen unterworfen.«
    »Und das also geschah mit Joanna?«
      »Das Mädchen, das Ihnen all den Kummer machte, war nicht Ihre Tochter, Colonel«, bemerkte Miller teilnehmend. »Sie sah nur so aus wie sie.«
    Lange, lange blieb es ganz still.
      »Dafür danke ich Ihnen, Sergeant«, sagte Colonel Craig schließlich. »Und jetzt möchte ich gern alles hören, was Sie bisher in Erfahrung gebracht haben.«
      Es dauerte nicht lange. Als Miller endete, lehnte Harriet Craig am Brückengeländer und weinte lautlos vor sich hin. Ihr Vater hatte seinen Arm um ihre Schultern gelegt.
      »Wird dieser Vernon vom Coroner in den Zeugenstand gerufen werden?« erkundigte sich Craig.
    »Ja.«
      »Besteht die Möglichkeit, ihn bei dieser Gelegenheit unter Anklage zu stellen?«
    Miller seufzte schwer und schüttelte den Kopf.
      »Es hat keinen Sinn, daß ich Ihnen etwas vormache. Ich persönlich habe keine große Hoffnung.«
      »Aber er ist doch an Joannas Tod schuld«, rief Harriet Craig leidenschaftlich. »Er hat sie getötet.«
    »O ja, das ist mir klar«, erwiderte Miller verständnisvoll. »Er
    ist schuldig. Doch vor Gericht zählt nicht die moralische Schuld eines Menschen. Vor Gericht zählen die Tatsachen allein. Und ich kann Ihnen schon jetzt sagen, wie sich die Sache präsentieren wird. Ihre Schwester, Joanna Craig, hat Selbstmord verübt. Sie erwartete ein Kind. Außerdem war sie rauschgiftsüchtig. Wir haben eine Zeugin, Monica Grey, die uns berichtet hat, daß jemand Ihrer Schwester das Heroin injiziert hat. Und ich kann Ihnen versichern, daß Monica Greys Aussage vor Gericht innerhalb von Minuten von Vernons Anwalt vollkommen zerpflückt werden würde. Für Max Vernon ist das Beste nämlich gerade gut genug, und das gilt natürlich auch für seine Anwälte. Und dann ist noch ein anderer Gesichtspunkt zu beachten – so wie die Dinge im Moment liegen, handelt es sich nicht um eine strafrechtliche Angelegenheit. Monica Grey hat mir gegenüber unter vier Augen eine mündliche Erklärung abgegeben. Das besagt überhaupt nichts. Es kann leicht sein, daß sie vor Gericht umfällt. Und dann haben wir gegen Vernon überhaupt nichts in der Hand.«
      »Aber Vernon ist doch der Schuldige«, beharrte Harriet Craig. »Vernon war für alles, was geschah, verantwortlich. Der Meinung sind Sie doch selbst auch.«
      »Ja, aber meine Meinung zählt nicht. Das Gericht läßt nur Beweise gelten.«
      Wieder blieb es lange still. Schließlich brach Colonel Craig das drückende Schweigen.
      »Mir leuchtet das alles ein«, bemerkte er. »Aber einen Punkt verstehe ich überhaupt nicht. Joanna tat alles, was in ihrer Macht stand, um ihre Identität zu verschleiern. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum sie das tat?«
    »Wollen Sie darauf wirklich eine Antwort, Colonel?«
    »Unbedingt.«
    »Na schön«, meinte Miller. »Meiner Ansicht nach hat sie es um Ihretwillen getan.«
    Craig verzog keine Miene.
    »Bitte, fahren Sie fort.«
      »In den letzten Stunden oder Minuten ihres Lebens hat sie wahrscheinlich viel klarer gedacht als während der schrecklichen Monate, die hinter ihr lagen. Sie sagte sich, daß sie Ihnen schon genug Kummer und Sorge bereitet hätte.

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