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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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dort werden Ihnen das gleiche sagen.«
    »Aber es gibt andere Fragen, die sich nur hier beantworten lassen.«
    »Es wird keine Ermittlungen geben«, sagte Osorio.
    »Keine Ermittlungen wegen Rufo?«
    »Nein.«
    »Gegen Luna?«
    »Nein.«
    »Wegen irgendwas?«
    »Nein.«
    Ihre Verachtung hätte jeden Mann mit einem Rest von Feingefühl verstummen lassen.
    Eine schwarze Dünung bewegte sich im Licht des Leuchtturms. Manchmal konnte er das Meer, das sich zu ihm ausstreckte wie ein wunderbarer traumloser Schlaf, beinahe spüren. Der Balkon ging nach Norden hinaus, so daß er einige vertraute Sternbilder wiedererkannte. In Wahrheit glaubte er nicht mehr an die Ausdehnung des Universums, er glaubte, daß das Universum implodierte, alles strömte mit rauschender Macht durch einen himmlischen Abfluß auf einen einzelnen Punkt des absoluten Nichts zu. Er spürte, daß Osorio ihn beobachtete.
    »Ich habe zwei Töchter, Muriel und Marisol«, sagte sie. »Haben Sie Kinder?«
    »Nein.«
    »Sind Sie verheiratet?«
    »Nein.«
    »Dann verheiratet mit Ihrer Arbeit? Voller Hingabe? Che war so. Er war verheiratet und hatte Kinder, doch er hat sich für die Revolution geopfert.«
    »Von meiner Arbeit bin ich eher geschieden. Nicht wie Che, nein.«
    »Weil Sie die gleichen…«
    »Die gleichen was?«
    »Nichts.« Nach einer Pause sagte sie. »Mögen Sie kubanische Musik?«
    »Sie hat einen gewissen Rhythmus.«
    » Rhythmus?«
    Es entstand eine noch längere Pause.
    »Dann spielen Sie vielleicht Schach?« versuchte Osorio erneut ihr Glück.
    Arkadi zündete sich eine Zigarette an. »Nein.«
    »Sport?«
    »Nein.«
    »Kuba hat Baseball erfunden.«
    »Was?«
    »Kuba hat Baseball erfunden. Die Indianer, die hier lebten, als Kolumbus gelandet ist, haben ein Spiel mit einem Ball und einem Schläger gespielt.«
    »Oh.«
    »Haben Sie das nie gelesen?«
    »Nein, in Moskau habe ich vielmehr gelesen, daß Rußland Baseball erfunden hat. Es gibt ein altes russisches Spiel mit einem Ball und einem Schläger. In dem Artikel hieß es, russische Emigranten hätten das Spiel nach Amerika gebracht.«
    »Einer von uns hat bestimmt recht.«
    »Der Unterschied ist nur, daß Sargento Luna einen Stahlschläger benutzt hat.«
    »Aluminium.«
    »Ich bitte um Verzeihung.«
    Die Kommissarin schlug ihre Beine wieder übereinander. Arkadi lehnte sich zurück und stieß eine große Rauchwolke aus. »Wenn es eine Ermittlung geben würde«, fragte sie schließlich, »was würden Sie machen?«
    »Ich würde versuchen, eine Chronologie der Ereignisse zu rekonstruieren. Pribluda wurde zum ersten Mal um acht Uhr morgens von einer Nachbarin gesehen, einer Tänzerin, zum letzten Mal zwischen vier und sechs Uhr nachmittags von einer Kollegin aus der Botschaft. Sie hat gesagt, er habe sich auf der Straße mit einem neumät/co unterhalten, einem Schwarzen. Wenn ich Spanisch könnte, würde ich mit diesem Bild den Malecon auf und ab laufen, bis ich jeden gefunden hätte, der ihn an jenem Tag gesehen hat.«
    »Ich nehme an, wir könnten mit dem responsable de v/g/lanc/a sprechen.«
    »Ich weiß, wer das ist.«
    »Okay, dann machen wir das.«
    »Und ich würde mir die Fundstelle der Leiche noch einmal genauer ansehen.«
    »Aber wir haben sie auf der anderen Seite der Bucht in Casablanca gefunden. Sie waren dabei.«
    »Nicht bei Tageslicht.«
    »Dies ist keine Ermittlung.«
    »Nein, auf gar keinen Fall.«
    »Haben Sie keine Angst, noch einmal angegriffen zu werden?«
    »Ich habe ja Sie.«
    Ihre Augen schienen noch dunkler zu werden. »Que /d/ota.« Das schien ihr Name für ihn zu sein.
     
    Schließlich schlief er auf seinem Stuhl ein, ihr Parfüm in der Nase, ein leichter Hauch von Vanille, der die Luft durchzog wie ein Tropfen Tinte klares Wasser.
     
    11
     
    Die anbrechende Dämmerung tauchte den Malecon in ein Unterwasserlicht, als ob die Stadt über Nacht im Meer versunken wäre. Arkadi und Ofelia Osorio folgten der blassen Glut der Morgenzigarre, die Abuelita an ihrem Fenster rauchte. Sie lud sie in ihre Wohnung ein, deren Wände mit mehreren Schichten abblätternder Farbe abgenutzt waren wie getragene Kleider. Sie bot ihnen einen Cafe Cubano in schweren dunklen Gläsern an und forderte sie auf, vor einer Statue der Heiligen Jungfrau mit einer Pfauenfeder im Rücken Platz zu nehmen. Zu Füßen der Ikone lag eine Kupferkrone, in der Sandelholz und Dollarscheine steckten. Arkadi fühlte sich gut, regelrecht verjüngt ob der Tatsache, daß Luna nicht mitten in der Nacht mit

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