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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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schoß direkt in das Minenfeld. Irgendwie schafften sie es, keine Mine zu erwischen, doch der Krankenwagen saß fest, und Tico wäre verblutet, wenn Luna ihn nicht durch das Minenfeld zur Ambulanz getragen hätte. So haben wir auf persönlichen Befehl des Commandante ein angolanisches Dorf befreit.«
    »Und deshalb ist Tico so vorsichtig mit Reifen.«
    »Er ist sehr vorsichtig mit Reifen.«
    Erasmo ließ die Dose fallen, und Arkadi hob sie auf.
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
    »Nein danke«, sagte Erasmo. »Kennen Sie das größte Minenfeld der Welt? Der amerikanische Stützpunkt hier in Guantanamo, dank der U.S. Marines und besonders dank unserer russischen Freunde, die unsere Seite des Minenfelds entworfen und die Pläne dann mit nach Hause genommen haben. Keine weitere Hilfe, bitte.« Er öffnete die Dose mit den Chilischoten und goß den Inhalt in die größere Dose. »Aha! Wenn ein Grabräuber das öffnet, erwartet ihn eine tödliche Dunstwolke. Ich finde, Husten, tränende Augen, Niesen und vorübergehende Blindheit sind eine sehr humane Art, mit Grabräubern zu verfahren. Asi, eine kubanische Lösung für ein kubanisches Problem.«
    »Luna als Lebensretter von Tico, das ist ein ganz anderes Bild des Sargento.«
    »Nein, das ist es nicht. Es ist nur die Kehrseite. Die Menschen hier haben zwei Seiten, die, die man sieht, und das Gegenteil.«
    »Das ist kompliziert.«
    »Es ist real. Das verstehen Sie nicht. Kuba war mal etwas Besonderes. Wir waren idealistisch und haben dem mächtigsten und rachsüchtigsten Land der Erde die Stirn geboten. Aber Kuba ist als Land einfach nicht groß genug für ihn, und wir anderen können nicht ewig Helden sein. Hören Sie auf, Fragen zu stellen, Arkadi. Zu ihrem eigenen Besten, fahren Sie einfach nach Hause.«
    Die Lius blickten erwartungsvoll auf; vielleicht hatten sie die Worte nicht verstanden, doch sie hatten bemerkt, daß das Gespräch zu einem Ende gekommen war. Die Chihuahuas blinzelten aus ihren murmelgroßen Augen und setzten dann einer Eidechse nach.
    Sie jagten sie einen Bougainvilleaast hinauf bis auf eine hüfthohe Pagode, und als der jüngste Liu lachte und einen Karatetritt vorführte, fiel Arkadi noch etwas ein.
    »Gibt es in Havanna Kampfsportstudios.«
    »In Chinatown«, sagte Erasmo.
     
    Manches mußte man einfach beiseite schieben, dachte Ofelia. Sie ignorierte die Kriminaltechniker, die zuerst die kleinen Indizien einsammelten - Klumpen, Haare, Kulturbeutel, Gläser, mehrere Flaschen Havana-Club -, um zuletzt Kleidung und Laken in große Plastiksäcke zu stopfen. Sie beachtete auch nicht die Fotografen um die Frau herum, die auf dem Bett ausgebreitet lag wie »Die nackte Maja« von Goya. Ofelias ganze Aufmerksamkeit galt Dr. Blas. Der Pathologe beugte sich über die Leiche, um Ofelia zu zeigen, warum der sterbende Mann, obwohl er von oben bis unten mit eigenem Blut bedeckt war und die Spuren auf dem Teppich seinen qualvollen nutzlosen Weg zur Tür nachzeichneten, nicht um Hilfe geschrien hatte.
    »Das Radio lief. Leute, die diese Zimmer mieten, neigen dazu, Krach zu machen, das haben Sie selbst gesagt; und wer weiß, wieviel Alkohol sie getrunken hatten? Karotis und Arteria fibularis wurden durchtrennt, doch er war noch lebendig genug, um es bis zur Tür zu schaffen, vermutlich nachdem sein Angreifer das Zimmer schon wieder verlassen hatte. Trotzdem hat ihn niemand um Hilfe rufen hören. Warum? Es lag nicht am Radio.« Mit der Spitze eines Bleistifts ertastete er einen dunklen Fleck unterhalb des Adamsapfels des Toten und schob den Bleistift halb hinein. »Ein Loch in der Luftröhre. Mit einem Loch in der Luftröhre bringt man keinen Ton heraus. Am Hals der Frau haben wir keine entsprechende Wunde gefunden, ihr wurde schlicht und einfach die Kehle durchgeschnitten. Aber ich bin mir sicher, daß dies die erste Wunde war, die dem Mann zugefügt wurde.«
    »Und der Stich stammt nicht von einer Machete.«
    »Nein, die Wunde ist vollkommen rund. Trotzdem ist eine solche Sauerei typisch für ein >Verbrechen aus Leidenschaft. Sie haben gut daran getan, nicht das ganze Hotel in Aufruhr zu versetzen, außerdem hatten Sie Glück, daß Sie auf solch unorthodoxe Art auch noch die Dokumente gefunden haben.« Damit gab Blas ihr subtil zu verstehen, daß er wußte, daß sie sich in die Toilette übergeben hatte. Der Doktor fühlte sich im Anblick des Todes auf eine Art entspannt, die ihr, das wurde zunehmend klarer, vollkommen abging. Ein zerstückelter Körper war

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