Nacht-Mähre
ängstlichen Bäume bebten furchterfüllt, als die Wassermassen ihre Wurzeln umspülten. »Seid Ihr in Ordnung?« sendete Imbri König Bink ihre Frage.
»Müde und aufgeweicht«, erwiderte er. »Aber unversehrt. Doch die Schlacht ist noch nicht zu Ende.« Denn immer mehr Mundanier kletterten nun die Anhöhe hinauf.
»Wir können sie mühelos abhängen«, schlug Imbri vor.
»Nein, dann würden sie sich nur wieder aufs neue sammeln und auf Schloß Roogna marschieren, wo die Frauen sind. Das Schloß hat weder menschliche noch Zombieverteidiger mehr zur Verfügung. Der Oger ist zwar da, aber der kann auch nicht an allen Orten zur selben Zeit kämpfen. Ich will nicht, daß unsere Lieben den Puniern zu Willen sein müssen und behandelt werden wie die Pseudonymphen. Ich muß den Feind hier und jetzt erledigen, und ich kehre erst dann auf Schloß Roogna zurück, wenn die Bedrohung gänzlich gebannt ist.«
Als er ihren Gesichtsausdruck sah, lächelte er grimmig. »Ich weiß, du zweifelst an meinem Erfolg. Du bist eine sehr vernünftige Mähre. Aber ich muß mich nicht allein auf meine eigenen Kräfte verlassen, denn ich habe das Buch des Guten Magiers gerettet, in dem die Kraftworte stehen.«
»Ich hoffe nur, daß die auch wirken«, sendete sie. »Da vorn kommen nämlich zwei Mundanier!«
König Bink öffnete gerade das Buch, als die Mundanier mit auf ihn gerichteten Speeren näher kamen. Er musterte den ersten der Angreifer. »Huch!« sagte er plötzlich. »Ich weiß ja gar nicht, wie man das ausspricht!«
»Versucht es mit mehreren Fassungen«, sendete Imbri, denn den Speerkämpfern folgten inzwischen noch weitere Mundanier, die alle genauso häßlich und entschlossen aussahen. Eines mußte man diesen punischen Söldnern ja lassen – sie gaben niemals auf!
»NISS!« las König Bink mit einem kurzen I.
Nichts geschah. Die Mundanier dräuten.
»NIIIIS!« wiederholte er, diesmal mit langem I.
Die beiden Mundanier brachen in ein fürchterliches unkontrolliertes Niesen aus. Ihre Augen begannen zu tränen, sie bekamen keine Luft mehr und krümmten sich verkrampft zusammen, indem sie vergeblich versuchten, sich die Lungen aus der Nase zu prusten. Ihre Köpfe platzten, ihre Gürtel rissen, und ihre Augen traten abwechselnd hervor und sanken ein. Dann ließen sie ihre Speere fallen und torkelten in das schlammige Wasser hinein, immer noch laute Hatschis von sich gebend. Staunend und voller Bewunderung sahen die anderen Punier der Kanonade zu. Diesmal hatte der König das Wort anscheinend richtig ausgesprochen.
»Merkwürdig«, murmelte Bink. »Die Schrift ist verblaßt und verschwunden. Das Wort ist nicht mehr zu sehen.«
»Das wird wohl ein Einmalzauber gewesen sein«, meinte Imbri. »Wie viele habt Ihr noch?«
Bink blätterte das Buch durch. »Das müssen Hunderte sein.«
»Das dürfte eigentlich genügen.« Imbri war erleichtert.
Wieder kam ein schwertschwingender Weller auf sie zu. Bink las das nächste Wort. »AmnSHA!« rief er, die zweite Silbe betonend.
Der Mundanier fing nicht an zu niesen. Statt dessen stürmte er weiter.
»AMNSHA!« rief Bink ohne Akzent und es fast wie eine einzige Silbe aussprechend. Und er duckte sich, als der Mann seine Klinge auf sein Haupt niedersausen lassen wollte. Der Hieb verfehlte sein Ziel.
Der Mundanier hielt inne und drehte sich um. Er sah verwirrt aus. »Was mache ich hier?« fragte er. »Wer bist du? Wo bin ich?«
»Das Wort hat ihn seines Gedächtnisses beraubt!« sendete Imbri zufrieden. »Schade, daß nicht alle Mundanier in seiner Reichweite waren.«
»Gut, daß du neben mir stehst und nicht auch davon betroffen wirst«, erwiderte Bink. Dann wandte er sich an den Soldaten. »Du bist ein Immigrant im Lande Xanth. Du wirst hier ein gutes Heim und eine willige Nymphe finden und dich niederlassen, um zu einem produktiven Bürger unseres Landes zu werden. Gratuliere.«
»Ja, ja, klar«, sagte der Mann benommen. Dann schlurfte er davon, um sein Heim zu suchen.
Doch nun kamen gleich drei Mundanier auf sie zu, und die sahen alles andere als vergeßlich aus. Auch das letzte Wort war nach Gebrauch verblaßt, und Bink blätterte die Seite um. »SKONK!«
Plötzlich nahmen sie einen entsetzlichen Gestank wahr. Er breitete sich mit der Schallweite des Worts aus, bildete eine üble, eitrige Wolke und schwebte den Soldaten entgegen. Doch diese stürmten unverzagt weiter, in die Wolke hinein. Sie hatten gelernt, daß sie sich nur um greifbare Magie Sorgen machen mußten,
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