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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre Kostenlos Bücher Online Lesen
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wirklich unmittelbar etwas anhaben; sie wirkte nur dadurch, daß das Opfer sich durch seine Reaktion darauf selbst außer Gefecht setzte.
    Auf die Sphinxe folgten die großen Vögel, die Rokhs. Der Himmel verfinsterte sich, als sechs dieser Ungeheuer hinabglitten und monströse Schatten auf die Erde warfen. Die beiden überlebenden mundanischen Elefanten gerieten in Panik und flohen Hals über Kopf nach Norden davon, entsetzt trompetend; sie wußten, welcher Art die Lieblingsbeute der Rokhs war. Das wiederum erregte den größten Teil der verbliebenen Pferde, die ebenfalls in Panik gerieten und nach Norden flohen, sofern sie die Flucht überhaupt überlebten.
    »So sollten Illusionen funktionieren«, murmelte Königin Irene bewundernd. »Jetzt werden sie nicht mehr so schnell vorankommen, nachdem sie den größten Teil ihrer Tiere verloren haben.«
    Jeder der Rokhs trug einen großen Sack mit sich, und als die Vögel über die Mundanier hinwegflogen, ließen sie die Säcke fallen. Die zerplatzten am Boden und gaben einen dichten gelben Rauch frei, der sehr giftig aussah. Sträucher und Bäume in der Umgebung verwelkten scheinbar auf der Stelle, und Phantomwesen in Gestalt von Mundaniern rangen nach Luft, würgten, torkelten und stürzten unter Krämpfen zu Boden.
    Imbri wieherte voll Bewunderung angesichts des schieren Könnertums des Königs; wenn sie selbst diesen Illusionen hätte ins Auge blicken müssen, wäre sie vor Grauen wahrscheinlich umgefallen. Sie hörte jemanden im Publikum husten, als habe er etwas von dem schrecklichen Gas eingeatmet. Wenn diese Illusion schon auf die Zuschauer solche Wirkung hatte, die doch immerhin um ihr Geheimnis wußten, um wieviel schlimmer mußten sich dann die abergläubischen Mundanier erst fühlen, die mitten drin steckten! Vielleicht war es ja doch möglich, den Feind zu vernichten, ohne ihn körperlich zu berühren.
    Die Punier taumelten zurück, um nicht von dem gelben Rauch erfaßt zu werden. Da kam ihr Anführer nach vorne – es war der Reitersmann, der auf einem prächtigen braunen Pferd ritt. Natürlich hatte der Mann sein Reittier daran gehindert, gemeinsam mit den anderen durchzugehen. Imbri war erschrocken: Das bedeutete ja, daß er tatsächlich bei seiner Armee war und nicht mehr vor Schloß Roogna lauerte. Wie war er nur so schnell dorthin gekommen? Dazu hätte er der Magie bedurft – eines fliegenden Teppichs vielleicht, oder eines xanthischen Verräters, der ihm das schnelle Reisen ermöglichte. Möglicherweise jemanden, der ihn hatte fliegen lassen – aber das schien doch ziemlich unwahrscheinlich. Das Geheimnis wurde leider immer rätselhafter.
    Der Reitersmann rief seinen Soldaten etwas zu und ritt in den Nebel hinein. Nichts geschah, und die Männer sammelten sich wieder, stellten sich der Bedrohung – und erkannten natürlich, daß es nur eine Illusion war. Der Bluff war aufgeflogen.
    Danach ignorierten die Mundanier die prächtigen Illusionen, die ihnen König Iris entgegenschleuderte. Sie marschierten nach Süden weiter, auf die Spalte zu, und es hatte ganz den Anschein, als ob nichts sie aufhalten könnte. Doch Imbri wußte, daß König Iris noch nicht am Ende ihrer Kunst war. »Es gibt mehr als nur eine Art von Illusion«, murmelte Iris grimmig.
    Am späten Nachmittag näherte sich die punische Armee der Spalte. Die Soldaten kamen sehr schnell voran, weil sich ihnen keine xanthischen Lebewesen in den Weg stellten und der Reitersmann offensichtlich eine ausgezeichnete Marschstrecke erkundet hatte. Doch König Iris ließ die Spalte weiter südlich erscheinen, als sie in Wirklichkeit war. Dann ließ sie eine Herde Regenelche an der Stelle erscheinen, wo sie die Spaltenschlucht getarnt hatte. Die brachten kleine Gewitter mit, mit winzigen Blitzen und kleinen Donnerschlägen. Die Magie des Königs funktionierte in zwei Richtungen: Sie konnte nichtexistierende Dinge Gestalt annehmen lassen, und sie konnte Existierendes scheinbar nichtexistent machen. Es war eine sehr wirkungsvolle Kombination, und Königin Iris erwies sich auf ihrem Gebiet als wahre Künstlerin. Man mochte das Gewitter ja vielleicht für eine Illusion halten, dabei aber völlig übersehen, daß der Boden, auf den es herabregnete, ebenfalls eine war. Der Boden wurde langsam überschwemmt, und im Wasser waren sogar Spiegelungen zu sehen.
    Die Mundanier, denen die Schauspiele dieses Tages mittlerweile reichlich auf die Nerven gingen, jagten durch die nichtexistierenden Elche hindurch, durch

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