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Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)

Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angélique Mundt
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schnell weiter. »Ihr Mann hat ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten und liegt im Koma. Wir haben ihn operiert, aber er ist instabil und schwebt in Lebensgefahr. Es tut mir leid.«
    Die Worte kamen schnell, direkt und so gnadenlos, dass selbst Tessa tief einatmen musste. An ihrer Seite stammelte die Ehefrau: »Aber er wird doch wieder?«
    »Das ist völlig offen. Es wird Tage, wenn nicht Wochen dauern, bis wir Genaueres sagen können. Ich muss sofort wieder zu ihm. Wir tun, was wir können.«
    Die Frau sackte in sich zusammen. Bereits im Weggehen drehte sich die Ärztin noch einmal zu Tessa um und warf ihr ein entschuldigendes »Tut mir leid, darum müssen Sie sich kümmern« hin. Und das tat Tessa. Wenn eine Ärztin eine Patientin liegen ließ, um an das Bett eines anderen zu eilen, dann war Tessa klar, wie schlecht es um das Opfer stehen musste. Sie half der Frau auf einen Stuhl, gab ihr einen Schluck Wasser, hielt ihre Hand. Mehr konnte sie für die arme Frau nicht tun.
    Paul Nika lehnte sich im Sessel zurück und kramte in aller Ruhe eine Zigarettenpackung aus seiner Jackett-Tasche.
    »Das ist verboten. Macht deshalb doppelt Spaß.« Um seine warmen Augen kräuselten sich vergnügt Krähenfüße.
    Koster fand, dass Nika seinen im Raum verteilten Buddhas glich, so wie er die eine Hand genüsslich auf seinem Bauch ausruhte und mit der anderen seine Zigarette hielt, wie einen Diamanten, den er im Sonnenlicht blitzen lassen wollte. Koster gefiel das. Er blickte dem dünnen Rauchfaden der Zigarette hinterher.
    Der Psychologe nickte, warf Koster die Packung zu und wartete, bis er sich ebenfalls eine angezündet hatte.
    »David Brömme. Ein schüchterner Junge. Wuchs unter schwierigsten Bedingungen auf. Keine heimelige Kindheit mit gedecktem Apfelkuchen im Ofen, während die Kinder im Garten Fußball spielen.« Er sprach mehr zu sich selbst als zu Koster. Und der ließ ihn reden, ohne zu unterbrechen. Koster erfuhr so über die Scheidung von David Brömmes Eltern in dessen fünftem Lebensjahr. Der Vater, der durch Fehlzeiten glänzte und keinen Kontakt zu seinem Sohn hatte. Die Mutter, die völlig verbittert schlecht über den Vater sprach und die ihren Sohn abwechselnd vernachlässigte und vereinnahmte. Noch nicht schulreif, aber schon der Mann im Haus. Brömme entwickelte sich zu einem ernsten und verschlossenen Jungen. Er liebte seine Mutter innig. Aber er konnte nicht verhindern, dass der Alkohol in ihr gemeinsames Leben einzog. Je älter er wurde, umso mehr stieß die Mutter ihn weg in ihrem Hass gegen Männer. Er hatte keine Geschwister. Niemanden, mit dem er seine Last hätte teilen können. Für Freunde blieb keine Zeit. Trotzdem liebte er seine Mutter abgöttisch. Arrangierte sich mit ihren wechselnden Liebhabern und der zunehmenden Verwahrlosung der Wohnung. Er stumpfte ab. Gleichzeitig machte er einen exzellenten Schulabschluss. Er begann sogar zu studieren. Schaffte sich alle Möglichkeiten, um aus dem Sumpf zu fliehen. Trotzdem konnte er sich von seiner Mutter nicht lösen, fühlte sich verantwortlich für sie. Dann die Nacht, in der er zu spät nach Hause kam.
    Was ihm noch geblieben war, wurde ihm endgültig genommen. David Brömme zog sich zurück. Der Ehrgeiz für sein Studium versiegte. Mit einer letzten Kraftanstrengung dann die Einweisung in die Klinik.
    Nun kannte Koster also die ganze Geschichte. Sie rauchten beide schweigend und hingen einen Moment ihren Gedanken nach.
    »Und der Liebhaber? Hat er seine Strafe bekommen?«, unterbrach Koster die Stille schließlich.
    »Ja, ja, der wurde verurteilt. Aber das löste Brömmes Problem nicht.«
    »Vielleicht sinnt er auf Rache?« Koster erlebte das immer wieder. »Schließlich nahm ein besoffener Kerl ihm die Mutter.«
    »Wer weiß, vielleicht sinnt er auf Rache.« Der Psychologe schien mit seinen Gedanken woanders.
    »Wie hat sich das auf seine Psyche ausgewirkt?«, fragte Koster.
    Es dauerte eine Weile, bis Nika antwortete. »Nun, eine Posttraumatische Belastungsstörung hat er nicht entwickelt, aber er sitzt zwischen Baum und Borke fest. Er will seine Mutter wiederhaben, und er will sich von ihr lösen.« Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. »Ja, genau, er will wieder lieben, wie er seine Mutter geliebt hat.«
    Die Frau in Jeans und Lederjacke, die mit einer großen Plastiktüte mit der Aufschrift Patientensachen – streng vertraulich in der Hand auf sie zukam, gab Tessa mit einem Nicken das Zeichen, aufzustehen. Sie nahm sie

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