Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)
Alba, die hab ich nicht gefunden. Die scheint keiner zu kennen.«
»Ach Mist, da hätte ich heute Morgen die Tochter noch fragen können. Hab ich vergessen. Aber sie kommt noch mal auf die Station zu Doktor Ravens, um die Sachen ihrer Mutter abzuholen. Vielleicht weiß sie, wo wir diese Alba finden können.« Er nickte Liebchen zu. »Wir fahren gleich morgen früh hin. Ihr anderen kümmert euch um die Alibis. Vor allem das von diesem Pflegeschüler Philipp.«
»Keine Sorge, da kümmert sich Vati höchstpersönlich drum«, sagte Liebetrau in einem Tonfall grimmiger Entschlossenheit.
Koster sah auf die Uhr. Schon nach acht. Er hatte es wieder nicht rechtzeitig nach Hause geschafft. Verdammter Mist. Klappte denn wirklich gar nichts? Er brauchte ein Erfolgserlebnis. Irgendeines.
»Und was ist mit den Speichelproben. Von allen?«, fragte Koster Menzel noch einmal.
Der nahm sich Zeit für eine Antwort. »Ich gebe Ihnen achtundvierzig Stunden. Wenn Sie bis dahin keine konkrete Spur auf den Täter haben, empfehle ich dem Richter die Speichelprobenentnahme zum DNA -Abgleich. Bis dahin möchte ich die Patienten nicht unnötig beunruhigen. Es sind keine normalen Verdächtigen. Achtundvierzig Stunden. Machen Sie was draus.«
FÜNFTER TAG
Koster stand im Dienstzimmer der Station 2 und schaute sich suchend nach Tessa um. Krankenschwester Mathilde hockte am Tresen und schrieb eifrig in die Patientenkurven.
»Wissen Sie, wo ich Doktor Ravens finden kann«, fragte er.
Sie brauchte ein paar Sekunden, bis sie den Kopf hob und ihn über den Rand ihrer Lesebrille hinweg ansah.
»Die ist noch nicht zurück. Ist seit heute Nacht im Einsatz. Zuletzt rief sie von der neurochirurgischen Intensivstation an. Versuchen Sie es auf ihrem Handy. Haben Sie die Nummer?«
Er schüttelte den Kopf. »Was ist das für ein Einsatz?«
»Tessa arbeitet im Kriseninterventionsteam des DRK , wussten Sie das nicht?«
Koster schüttelte den Kopf. »Nein, aber das KIT kenne ich. Komisch, dass ich ihr nie begegnet bin.«
»Sie ist noch nicht so lange dabei. Es gab eine üble Schlägerei im Stadtpark. Die Polizei hat sie zur Betreuung der Augenzeugin an den Unfallort gerufen. Dann sind sie ins Krankenhaus.« Während sie das sagte, schrieb sie eine Telefonnummer auf einen Zettel und reichte ihn an Koster weiter. »Das ist ihr Diensthandy, das funktioniert auch auf den Intensivstationen.«
»Danke.« Koster kam ein Gedanke. »Dann würde ich gern stattdessen mit Doktor Nika sprechen. Wo erwische ich den?«
»Der müsste in seinem Zimmer sein. Nummer 208. Finden Sie alleine hin? Dann könnte ich weiterarbeiten. Es ist viel zu tun dieser Tage.«
Wem sagt sie das, dachte Koster und nickte ihr zu.
Zur gleichen Zeit saß Tessa mit der verstörten Ehefrau des Opfers im Warteraum der neurochirurgischen Intensivstation. Die Polizei hatte sich kurz vor Mitternacht bei ihr gemeldet. Im Stadtpark war ein Mann von drei Unbekannten so schwer zusammengeschlagen worden, dass er auf der Intensivstation um sein Leben rang. Die Ehefrau hatte alles mitangesehen und stand unter Schock. Die Polizei hatte Tessa um psychologische Unterstützung für die junge Frau gebeten.
»Was ist denn das für eine Welt, in der man spazieren geht und dann ins Koma geprügelt wird?« Die Verzweiflung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Zitternd fuhr sie sich durch die kurzen Haare. Ihr Mann lag nur wenige Meter entfernt, hinter einer Glasschleuse, und eine ganze Armee von Ärzten kämpfte hektisch und hoch konzentriert um sein Überleben. Tessa hatte einen kurzen Blick auf ihn werfen können. Die Ärzte hatten ihn stundenlang operiert, und nun lag er mit geöffneter Schädeldecke da, grauenhaft zugerichtet und an viele Geräte angeschlossen. Unvorstellbar, die Ehefrau zu ihm zu lassen. So mussten sie warten, bis eine Ärztin ein paar Minuten Zeit fand, der Angehörigen die entscheidende Prognose über Leben und Tod zu überbringen. Inzwischen war es früher Vormittag, und obwohl Tessa wusste, dass hinter den Türen hektisches Treiben herrschte, war im Warteraum nichts davon zu spüren. Gespenstische Ruhe. Tessa wich nicht von der Seite der zwischen Aggression und tiefster Verzweiflung schwankenden Frau. Auch die drei Beruhigungstabletten vermochten nichts auszurichten. Zu stark pulsierte das Adrenalin in ihrem Körper.
»Wir haben doch gar nichts getan. Wir saßen einfach nur auf einer Bank, als die Kerle uns anmachten. Jens stand auf. Er wollte mich nur verteidigen«, flüsterte sie.
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