Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)
natürlich jederzeit ändern. »Haben Sie das alles verstanden?«, fragte Koster zur Sicherheit nach.
»Ich bin ja nicht blöd. Und für das Protokoll: Ich empfinde es als reine Schikane, dass Sie mich verhören, nur weil ich keine Speichelprobe abgegeben habe.«
Da ist sie wieder, die alte Überheblichkeit, dachte Koster. »Wie kommen Sie darauf, dass wir Sie wegen der fehlenden Speichelprobe vernehmen?«, fragte er.
»Na, weswegen denn sonst?« Neumann erblasste.
»Wir ermitteln im Mordfall Gabriele Henke.« Er ließ Neumann keine Pause zum Nachdenken. »Wie haben Sie den Tag verbracht, an dem Frau Henke starb?«
»Das habe ich doch alles schon erzählt.«
Er versuchte offenbar, Zeit zu gewinnen. Kosters Eröffnung hatte seine Wirkung nicht verfehlt.
»Dann erzählen Sie es jetzt noch mal. Der Staatsanwalt hat es noch nicht gehört«, sagte Koster.
Neumann antwortete nicht gleich. Dann fing er zögernd an zu berichten. Er war an dem Tag seit acht Uhr in der Klinik gewesen. Hatte im Büro gearbeitet. Am frühen Nachmittag kam dann der hysterische Anruf einer Krankenschwester, dass eine Patientin tot im Fahrstuhl lag. Er war sofort hochgeeilt und hatte die Bescherung mit eigenen Augen gesehen. Die Mitarbeiter hatten die Polizei bereits verständigt. Er hatte nichts mehr tun können.
Koster fand Neumanns Bericht hartherzig. Die Mutter seiner Tochter lag ermordet im Lastenfahrstuhl, und er bezeichnete sie als »Bescherung«. Oder war es ein jämmerlicher Versuch, so zu tun, als ginge ihn das alles nichts an?
»Haben Sie Ihr Büro zwischen zwölf und vierzehn Uhr verlassen?«
»Das habe ich bestimmt. Kaffee holen, auf Toilette gehen, mit Kollegen sprechen. Ich weiß es nicht mehr. Termine hatte ich jedenfalls keine, falls Sie das meinen.«
»Sie haben also kein Alibi für diese Zeit?«
»Ich war in meinem Büro – wie schon gesagt. Dort haben mich bestimmt Mitarbeiter gesehen. Fragen Sie die.«
»In welchem Verhältnis standen Sie zu Frau Henke?«
»Sie war Patientin auf meiner Station. Das sagte ich schon.«
»Sonst nichts?«
Neumann beugte sich vor und echauffierte sich: Ob Koster ihm unterstellen wollte, dass er Patienten bevorzuge?
Koster zog eine Augenbraue hoch. »Nun, Frau Henke war doch eine Ihrer Studienpatientinnen, oder?«
»Ja, natürlich«, erwiderte Neumann und lehnte sich wieder bequem zurück, als sei die Gefahr gebannt.
»Berichten Sie uns ein bisschen über ihre Studie«, schlug Koster einen versöhnlichen Ton an.
Neumann war in seinem Element. Er lobte Duoxepin als das »Medikament der Zukunft«, durch das Depressionen endlich besser geheilt werden könnten.
»Wann kommt denn das Medikament auf den Markt?«, fragte Liebetrau und mischte sich damit erstmals ein.
Neumann reagierte ungehalten. »Das dauert noch. Sie haben ja keine Ahnung, welche Vorlaufzeiten die Entwicklung von Medikamenten hat. Jahre. Duoxepin steht kurz vor der Freigabe durch die Behörden.«
»Und hält es, was es verspricht?«, fragte Liebetrau.
»Ja.« Über Neumanns Gesicht ging ein Strahlen. »Es ist das Beste, was seit der antiviralen Therapie gegen den HI -Virus auf den Markt gekommen ist.«
Er glaubt wirklich an das Medikament, dachte Koster. Er glaubt daran, egal, was dagegen spricht.
»Stimmt es, dass es gravierende Nebenwirkungen gibt, die in Ihrer Studie nicht erwähnt werden? Dass Patientendaten gelöscht und andere erfunden wurden?«, fragte Liebetrau.
Neumann sprang auf und lief gestikulierend Richtung Tür. »Das ist ja infam. Das brauche ich mir von Ihnen nicht unterstellen lassen.«
»Setzen Sie sich!« Liebchens Ton war plötzlich schneidend scharf.
»Wie kommen Sie nur auf einen solchen Unsinn?« Neumann setzte sich zögerlich. Er wirkte plötzlich verunsichert. Erholte sich aber rasch. »Diese Unterstellungen haben Sie von Doktor Ravens, stimmt’s?«, fragte er. »Dieses Biest.«
»Wir haben uns gefragt, warum ein so renommierter Arzt wie Sie so etwas wohl tut? Da fiel uns nichts anderes als Geld ein. Ist das so?« Koster übernahm jetzt wieder das Ruder.
»Was?«
Neumann stellte sich also dumm. Na gut, dann eben die harte Tour. »Ist es nicht so, dass Sie mit der Markteinführung des Medikaments viel Geld verdienen werden? Dass Sie so überzeugt von dem Medikament sind, dass Sie alle anderen Daten und Hinweise ausblenden? Dass Sie nicht gestört werden dürfen in Ihrem Tun?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
Koster klopfte mit dem Stift auf die Akte, die geschlossen
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