Nacht ohne Ende
eine weitere Wehe hatte. »Pressen Sie nicht, wenn es irgend geht«, wies Doc sie an. »Ich möchte nicht, dass Sie reißen.« Er legte seine rechte Hand als zusätzliche Stütze auf den Damm, um ein Einreißen zu verhindern, während seine linke behutsam auf dem Kopf des Babys ruhte. »Und jetzt hecheln Sie, Sabra. Kräftig hecheln. Jawohl, so ist es richtig! Sie sollten sich hinter sie knien«, sagte er zu Tiel. »Richten Sie sie etwas auf. Stützen Sie den unteren Teil ihres Rückens ab.«
Er geleitete Sabra durch die Wehe, und als sie vorbei war, lehnte sich das Mädchen kraftlos gegen Tiels stützende Hände zurück, um einen Moment auszuruhen.
»Jetzt haben Sie's gleich geschafft, Sabra«, sagte Doc mit sanfter, beschwichtigender Stimme. »Sie machen Ihre Sache prima. Wirklich großartig.«
Und dasselbe hätte Tiel von ihm sagen können. Man musste die ruhige, kompetente Art, wie er mit dem verängstigten Mädchen umging, ganz einfach bewundern.
»Alles okay mit Ihnen?«
Tiel hatte ihn mit unverhüllter Bewunderung angestarrt, aber sie merkte nicht, dass seine Frage ihr gegolten hatte, bis er zu ihr hochblickte. »Meinen Sie mich? Mir geht's gut.«
»Sie werden nicht in Ohnmacht fallen oder so was?«
»Ich glaube nicht.« Dann - weil seine Gelassenheit ansteckend war - fügte sie hinzu: »Nein. Ich werde ganz bestimmt nicht ohnmächtig.«
Sabra schrie laut auf, richtete sich ruckartig zu einer halb sitzenden Haltung auf und grunzte vor Anstrengung, als sie versuchte, das Baby hinauszupressen. Tiel rieb ihr den Rücken, während sie inständig wünschte, sie könnte mehr tun, um die Schmerzen des Mädchens zu lindern.
»Alles in Ordnung mit ihr?«, erkundigte sich der werdende Vater besorgt, doch niemand achtete auf ihn.
»Versuchen Sie, nicht zu pressen«, erinnerte Doc das
Mädchen. »Das Baby wird jetzt kommen, ohne dass Sie zusätzlichen Druck anwenden. Überlassen Sie sich einfach der Wehe. Gut so, sehr gut. Der Kopf ist schon fast draußen.«
Die Wehe verebbte langsam wieder, und Sabra brach erschöpft zusammen. Sie weinte jetzt. »Es tut so weh.«
»Ich weiß.« Doc sprach mit beruhigender Stimme auf sie ein, doch seine Miene drückte tiefe Besorgnis aus. Das Mädchen blutete stark aus dem gerissenen Dammgewebe. »Alles in Ordnung, Sabra«, log er. »Bald werden Sie Ihr Baby haben.«
Sogar sehr bald, wie sich herausstellte. Nach all den Sorgen, die ihnen der schleppende Geburtsvorgang bereitet hatte, schien das Kind es in den letzten Sekunden plötzlich sehr eilig zu haben, sich seinen Weg ans Licht der Welt zu bahnen.
Während der nächsten Wehe - fast noch bevor Tiel das Wunder, das sie miterlebte, wirklich fassen konnte - sah sie den Kopf des Babys mit dem Gesicht nach unten herausgleiten. Doc führte es nur ganz leicht mit einer Hand, bevor es sich instinktiv auf die Seite drehte. Als Tiel das Gesicht des Neugeborenen sah, seine Augen weit offen, murmelte sie: »O mein Gott«, und sie meinte es wortwörtlich, wie ein Gebet, denn es war ein Ehrfurcht gebietendes, fast spirituelles Phänomen, das sie in diesem Moment erlebte.
Aber an diesem Punkt hörte das Wunder auf, denn die Schultern des Babys steckten noch immer im Geburtskanal fest.
»Was ist los?«, fragte Ronnie ängstlich, als Sabra gellend schrie.
Im selben Augenblick klingelte das Telefon. Donna stand dem Apparat am nächsten und nahm den Hörer ab. »Hallo?«
»Ich weiß, es tut sehr weh, Sabra«, sagte Doc. »Noch zwei oder drei Wehen, und Sie müssten es überstanden haben. Okay?«
»Ich kann nicht«, schluchzte sie. »Ich kann nicht!«
»Dieser Typ namens Calloway will wissen, wer erschossen worden ist«, informierte Donna sie, aber niemand achtete auf sie.
»Sie machen Ihre Sache großartig, Sabra«, sagte Doc ermutigend. »Machen Sie sich bereit. Hecheln Sie!« Er blickte Tiel an und fügte hinzu: »Atmen Sie mit ihr.«
Tiel begann, gemeinsam mit Sabra zu hecheln, während sie beobachtete, wie Docs Hände um den Hals des Babys glitten. Als er ihre Bestürzung bemerkte, erklärte er: »Ich wollte mich nur vergewissern, dass sich die Nabelschnur nicht darum gewickelt hat.«
»Ist es okay?«, stieß Sabra zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Bisher ist es die reinste Bilderbuchgeburt.«
Tiel hörte Donna zu Calloway sagen: »Nee, er ist nicht tot, aber er hätte von Rechts wegen den Tod verdient und auch dieser verdammte Idiot, der ihn hier reingeschickt hat!« Damit knallte sie den Hörer auf die
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