Nacht ohne Ende
und waren von dunklen Ringen umgeben. Ihr Lächeln war matt. »Wie hält Ronnie sich?«
»Sie sollten ihn dazu überreden, dies hier zu beenden, Sabra«, sagte Tiel sanft.
»Ich kann nicht. Jetzt, wo ich Katherine habe, kann ich es nicht riskieren, dass mein Dad sie zur Adoption freigibt.«
»Das kann er nicht ohne Ihre Einwilligung tun.«
»Mein Vater bringt alles fertig.«
»Was ist mit Ihrer Mutter? Auf wessen Seite steht sie?«
»Auf Dads natürlich.«
Doc las die Anzeige auf dem Messgerät und nahm die Manschette ab. »Versuchen Sie, ein bisschen zu schlafen. Ich tue mein Bestes, um Ihre Blutung auf ein Minimum zu reduzieren. Ich werde Sie später noch um einen Gefallen bitten müssen, deshalb möchte ich, dass Sie jetzt erst mal ein Nickerchen machen, wenn Sie können.«
»Es tut weh. Da unten.«
»Ich weiß. Es tut mir Leid.«
»Sie können doch nichts dafür«, erwiderte Sabra schwach. Ihre Lider wurden schwer, und sie schloss die Augen. »Sie waren super cool, Doc.«
Tiel und Doc beobachteten, wie Sabras Atemzüge einen ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus annahmen und ihre Muskeln sich entspannten. Tiel hob Katherine von der Brust ihrer Mutter. Sabra murmelte protestierend, war aber zu erschöpft, um sonderlich viel Widerstand zu leisten. »Ich werde sie nur ein bisschen säubern. Wenn Sie aufwachen, können Sie sie gleich wieder zurückhaben. Okay?«
Tiel fasste das Schweigen des Mädchens als Erlaubnis auf, das Neugeborene fortzunehmen. »Was ist mit der Nabelschnur?«, fragte sie Doc.
»Ich habe so lange gewartet, bis es absolut sicher ist.«
Die Nabelschnur hatte inzwischen zu pulsieren aufgehört und war jetzt nicht mehr strangähnlich, sondern dünner und flacher. Er band sie an zwei Stellen fest mit Schnürsenkeln ab, wobei er ungefähr zwei Zentimeter Platz zwischen den beiden Punkten ließ. Tiel drehte den Kopf weg, als er die Nabelschnur durchschnitt.
Nachdem die Plazenta jetzt nicht mehr mit dem Baby verbunden war, schnürte Doc den Müllsack fest zu und verließ sich abermals auf Gladys' Hilfe, als er sie bat, den Beutel in den Kühlschrank zu legen, bevor er sich weiter um die junge Mutter kümmerte.
Tiel öffnete die Packung mit angefeuchteten Erfrischungstüchern. »Meinen Sie, ich kann das Baby gefahrlos mit diesen Tüchern waschen?«
»Das nehme ich doch an. Dafür sind sie schließlich da«, erwiderte Doc.
Obwohl Katherine protestierende Töne von sich gab, wischte Tiel sie mit den Pflegetüchern sauber, die angenehm nach Babypuder dufteten. Da sie keinerlei Erfahrung mit Neugeborenen hatte, ging sie ziemlich nervös an ihre Aufgabe heran. Sie fuhr auch fort, Sabras ruhige Atemzüge zu überwachen.
»Ich kann den Mut des Mädchens nur bewundern«, sagte sie zu Doc. »Und, ehrlich gesagt, ich habe vollstes Verständnis für die beiden. Nach allem, was ich über Russell Dendy weiß, wäre ich auch vor ihm davongelaufen.«
»Sie kennen ihn?«
»Nur durch die Medien. Ich frage mich, ob er wohl darauf gedrungen hat, dass Cain hier reingeschickt wurde.«
»Warum haben Sie ihm den Schädel poliert?«
»Sie spielen auf meinen tätlichen Angriff auf einen FBI-Agenten an?«, fragte sie mit einem grimmigen Lächeln. »Ich habe nur versucht, eine Katastrophe zu verhindern.«
»Ich muss Sie für Ihr schnelles Handeln loben. Ich wünschte nur, ich wäre so geistesgegenwärtig gewesen.«
»Ich hatte den Vorteil, direkt hinter ihm zu stehen.« Sie wickelte Katherine in ein frisches Handtuch und drückte sie an ihre Brust, um sie zu wärmen. »Ich nehme an, Agent Cain hat nur seine Pflicht getan. Und es hat ihn sicherlich einigen Mut gekostet, sich in eine solch gefährliche Situation zu begeben. Aber ich wollte unter allen Umständen verhindern, dass er Ronnie erschießt. Und genauso dringend wollte ich verhindern, dass Ronnie ihn erschießt. Ich habe ganz impulsiv gehandelt.«
»Und waren Sie nicht auch ein kleines bisschen sauer, als sich herausstellte, dass Cain gar kein Arzt ist?«
Sie blickte Doc an und lächelte verschwörerisch. »Aber sagen Sie's keinem weiter.«
»Das verspreche ich.«
»Woran haben Sie eigentlich erkannt, dass er kein Mediziner ist?«, wollte sie wissen. »Wodurch hat er sich verraten?«
»Seine erste Sorge hätte Sabras lebenswichtigen Organen gelten müssen, aber so war es nicht. Er hat zum Beispiel nicht ihren Blutdruck gemessen. Er schien gar nicht zu begreifen, wie bedenklich ihr Zustand war, deshalb fing ich an, Verdacht zu schöpfen, und habe
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