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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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diesem Augenblick spürte ich, wie der Schmerz in meiner Brust gleich einer Flut aufstieg und mich zu überwältigen drohte. Rasch wandte ich mich ab und stolperte davon. Er bekreuzigte sich.
      Durch eine Seitentür gelangte ich in einen großen Kreuz gang, mit Arkaden zu beiden Seiten. Auf einem kleinen Hof schickte ein wunderhübscher arabischer Brunnen einen silbrig glänzenden Wasserstrahl in die Luft, und dahinter sah ich durch einen Bogengang den Friedhof.
      An einem schönen Tag ist der Blick über das Tal bis zum Meer hin wirklich großartig, aber jetzt neigten sich die Zypressen unter dem Wind, und die ersten kalten Regentropfen klatschten auf die Steine.
      Der Friedhof war groß und sehr gepflegt, weil hier hauptsächlich die Honoratioren der bürgerlichen Gesellschaft von Palermo ruhten.
      Langsam ging ich den Pfad entlang. Der Kies knirschte unter meinen Sohlen, und aus unerfindlichen Gründen kam mir plötzlich alles wie ein Traum vor. Ausdruckslose Marmor gesichter schwebten vorüber, als ich durch den Wald reich geschmückter Grabstätten ging.
      Das Grab war leicht zu finden und genauso, wie ich es in Erinnerung hatte. Eine weiße Marmorgruft mit Bronzetoren, darüber die lebensgroße Statue von Santa Rosalia von Pellegrino, das alles umgeben von einem eineinhalb Meter hohen Eisengeländer, das schwarz und gold gestrichen war.
      Ich drückte mein Gesicht an die Eisenstäbe und las die Inschrift: ›Rosalia Barbaccia-Wyatt – allzufrüh grausam hinweggerafft. Die Rache ist mein, spricht der Herr.‹
      Ich erinnerte mich wieder an jenen anderen Morgen, als ich an diesem Grabmal stand, hinter mir alles, was in der Gesellschaft von Palermo Rang und Namen hatte; der Priester sprach die letzten Worte über dem Sarg, mein Großvater stand neben mir, kalt und in drohendem Schweigen wie eine dieser Marmorstatuen.
      Im richtigen Augenblick hatte ich mich abgewandt und durch die Menge gedrängt. Als er mich rief, begann ich zu laufen und rannte weiter bis zu jenem berühmten Treffen im ›Licht von Lissabon‹ in Mosambique.
      Der Wind trug nun etwas mehr Regen heran. Ich spürte ihn im Gesicht, holte ein paarmal tief Luft, um mein inneres Gleichgewicht wiederherzustellen, und wandte mich von dem Grab ab. Da sah ich ihn hinter mir stehen: Marco Gagini, den starken rechten Arm meines Großvaters, seine kugelsichere Weste, sein Fels. Irgendwo hatte ich mal gelesen, daß Wyatt Earp in Tombstone nur deshalb am Leben blieb, weil er Doc Holliday hatte, der seinen Rücken deckte. Mein Großvater hatte Marco.
      Er hatte das Gesicht eines guten Mittelgewichtlers, der er auch einmal gewesen war, mit dem Ausdruck eines zuversicht lichen Gladiators, der die Arena überlebt hat. Sein Haar war grauer geworden, in sein Gesicht hatten sich neue Linien eingegraben, aber sonst sah er genauso aus wie früher. Dieser Mann hatte mich einmal geliebt. Er hatte mir beigebracht, wie man boxt, Auto fährt, Poker spielt und gewinnt – aber meinen Großvater liebte er noch mehr.
      Nun stand er da, die Hände tief in die Taschen seines blauen Nylonmantels vergraben, und betrachtete mich nicht gerade sehr freundlich.
      »Wie geht's, Marco?« fragte ich leichthin.
      »Wie immer. Der Capo will dich sprechen.«
      »Woher weiß er, daß ich hier bin?«
      »Jemand vom Zoll muß es ihm gesagt haben. Ist das nicht gleichgültig?« Er zuckte die Achseln. »Früher oder später erfährt der Capo eben alles.«
      »Es ist also immer noch alles beim alten, Marco?« fragte ich. »Er ist immer noch der Capo. Und ich hatte gedacht, Rom hat die Mafia ziemlich im Griff.«
      Er lächelte ein wenig. »Gehen wir, Stacey. Es beginnt zu regnen.«
      Ich schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt – später. Ich komme heute abend, wenn ich Zeit zum Nachdenken gehabt habe. Sag ihm das.«
      Es war mir vom ersten Augenblick an klar gewesen, daß er in der rechten Manteltasche eine Waffe umklammert hielt. Er wollte sie nun herausziehen, aber da starrte er auch schon in die Mündung meines Revolvers. Er wurde nicht bleich – der Typ war er nicht, aber etwas an ihm veränderte sich doch. Es war wohl das ungläubige Staunen darüber, daß ich so schnell war und daß der kleine Stacey inzwischen ein wenig älter geworden war.
      »Langsam, Marco, ganz langsam.«
      Er zog eine Walther P 38 hervor. Ich befahl ihm, sie behutsam hinzulegen und zurückzutreten. Dann griff ich danach und schüttelte den Kopf.
      »Wenn

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