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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Ich kam nach meinem ersten Jahr in Harvard für die Ferien nach Hause, und am zweiten Tag ist es passiert. Noch am selben Abend hat mir mein Großvater die Augen über die Tatsachen des Lebens geöffnet.«
      »Konnte er denn jemals mit dem Verantwortlichen abrechnen?«
      »Ich denke, das können wir als sicher voraussetzen.« Ich stand auf. »Allmählich bekomme ich Hunger. Sollen wir zurückfahren?«
      »Das tut mir leid, Stacey«, murmelte er. »Wirklich.«
      »Warum denn? Das ist doch jetzt nur noch Geschichte.« Aber ich glaubte ihm, denn es klang wirklich ehrlich. Der Wind ächzte in den Zypressen, schleuderte Regentropfen auf den Weg, und ich ging zurück zum Kloster.

    6

    Nach dem Essen legte ich mich eine Weile hin. Ich konnte jederzeit leicht einschlafen, indem ich einfach die Augen zumachte. Ich träumte nur selten. Als ich die Augen wieder öffnete, war es auf der Uhr neben meinem Bett halb acht und beinahe dunkel.
      Irgendwo hörte ich Stimmengemurmel. Ich stand auf, zog mir einen Bademantel über und schlich zu der Glastür, die zu der Terrasse hinausging.
      Burke stand auf dem Hof unterhalb der Terrasse, den Fuß auf den Rand eines schönen Brunnens gestützt. Sein Begleiter war ein untersetzter Mann mit kurzgeschnittenem weißem Haar, der sportlicher aussah, als er vermutlich war. Sein Schneider verstand wohl eine Menge vom Fach.
      An ihm war nichts Auffälliges, er hatte dem Drang wider standen, mehr als einen Ring zu tragen, und aus seinem Ärmel ragte nur der vorgeschriebene ein Zoll Manschette, als richte er sich genau nach den Anweisungen irgendeines Haushof meisters. Die Krawatte war es wohl, die den Eindruck verdarb – es waren die Farben der ›Guards Brigade‹, und das kam mir unwahrscheinlich vor. Als er eine Platindose hervorzog und Burke eine Zigarette anbot, wirkte er etwa genauso echt wie sein Garten.
      Er ließ sich Feuer geben, drehte sich ein wenig zur Seite, fuhr sich mit einer ziemlich femininen Geste durchs Haar und sah mich am Rande des Balkons stehen.
      Sein plötzliches Lächeln war offenbar sorgfältig einstudiert: »Hallo«, rief er. »Ich bin Karl Hoffer. Wie geht's Ihnen?«
      »Prima«, sagte ich. »Ihre Betten sind ausgezeichnet.«
      Seine Stimme war für mich die erste Überraschung. Er sprach wie ein Amerikaner – ich konnte nicht den geringsten österreichischen Akzent feststellen.
      Er lächelte Burke an. »Der gefällt mir.« Dann sah er wieder zu mir herauf. »Wir wollten gerade einen Schluck trinken. Kommen Sie mit? Die beste Gelegenheit, übers Geschäft zu sprechen.«
      »In fünf Minuten«, rief ich hinunter, trat ins Schlafzimmer zurück und zog mich an.

    Als ich in die Halle hinunterging, erschien Rosa Solazzo aus dem Eßzimmer. Einer der Hausdiener trug auf einem Tablett unsere Drinks hinter ihr her. In diesem Jahr schien englische Mode vorzuherrschen. Ihr Kleid hatte Hoffer sicherlich einige hundert Pfund gekostet – es war eine Wolke aus roter Seide, eine Flamme in der Nacht, zu der ihr Haar und ihre Augen großartig paßten.
      »Bitte«, murmelte sie, griff hinauf und rückte meinen Schlips gerade. »So, schon besser. Ich kam mir heute Nach mittag sehr albern vor, ich hab's nicht gewußt.«
      Sie hatte italienisch gesprochen, und ich antwortete in derselben Sprache. »Was nicht gewußt?«
      »Daß Ihre Mutter Sizilianerin war.«
      »Und wer hat's Ihnen gesagt?«
      »Oberst Burke.«
      »Das Leben steckt eben voller Überraschungen, nicht wahr?« sagte ich. »Gehen wir jetzt zu den anderen hinüber?«
      »Wie Sie wünschen.«
      Sie empfand das wohl als eine Art Abfuhr, aber sie schien nicht verärgert zu sein. Eine Frau in ihrer Position kann sich den Luxus solcher Gefühle wohl auch nicht leisten.
      Hoffer und Burke waren auf einen kleinen, beleuchteten Patio hinausgetreten, wo sich ein zweiter Brunnen – das genaue Abbild des ersten – in die Nacht erhob. Sie saßen an einem schmiedeeisernen Tischchen und erhoben sich zu meiner Begrüßung.
      Hoffer hatte eine unzeitgemäße Bräune, die entweder auf eine Höhensonne oder in selteneren Fällen auf einen Reichtum hinwies, der es dem Besitzer erlaubte, der Sonne nachzureisen. Aus der Nähe wirkte er älter als vorhin, sein Gesicht war von feinen Fältchen durchzogen, und trotz des ständigen Lächelns konnte ich in seinen porzellanblauen Augen wenig echte Freude entdecken.
      Wir schüttelten uns die Hände. Dann deutete er auf einen

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