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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen
Autoren: Jack Higgins
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Monaten zwar deutlich besser geworden, aber für ihn war es wohl eine Beleidigung, gegenüber einem Kerl wie mir, die Sprache seiner Väter zu gebrauchen.
      Er stand auf und lachte verächtlich. »Seht ihn euch an.« Er machte eine Handbewegung. »Er sitzt im eigenen Dreck wie ein wildes Tier.« Er schaute wieder zu mir herab. »Gefällt dir das, Jude? Sitzt du gern so da, mit dem eigenen Mist beschmiert?«
      »Das ist gar nicht so schlimm, Major«, sagte ich auf arabisch. »Ein Mönch hat einmal Bodidharna gefragt: ›Was ist Buddah?‹ Der Meister erwiderte: ›Trockener Mist.‹«
      Er starrte mich verwirrt an und war im ersten Augenblick so perplex, daß er auch in seiner Muttersprache fragte: »Wovon redest du da?«
      »Um das zu begreifen, brauchtest du einen Verstand.«
      Ärgerlich war nur, daß ich das auf arabisch gesagt hatte und daß es infolgedessen alle verstanden. Die Haut spannte sich über seinen Backenknochen, die Augen wurden schmal. Er drehte sich zu Tufik um.
      »Hoch mit ihm. Hängt ihn für eine Weile in die Sonne. Ich werde mich um ihn kümmern, wenn ich zurückkomme.«
      »Ich freue mich darauf«, antwortete ich und mußte aus irgendeinem Grund leise lachen.

    Mit Fuad war nicht viel los: vierzig oder fünfzig kleine Flachdachhäuser rings um einen großen Platz, eine verfallene Moschee, höchstens zweihundert Einwohner. Hier herrschte bittere Armut wie in den meisten dieser ägyptischen Dörfer, und die neue Mole sollte hier Abhilfe schaffen. Das blaue Mittelmeer lag ungefähr vierhundert Meter entfernt. Es ist schön an diesem Mittelmeer, wenn man am Strand von Antibes liegt. Ich konnte einen raschen Blick aufs Wasser werfen, bevor man mir mein Joch abnahm und mich mitten auf dem Marktplatz an den Gelenken fesselte und an einer Art von
    hölzernem Galgen hochzog.
      Das war angeblich sehr schmerzhaft und wäre es unter normalen Umständen sicherlich auch gewesen, aber ich hatte es in diesen vergangenen Monaten so oft durchgemacht, daß der Schmerz mir nicht mehr viel bedeutete. In der Hitze des Tages wäre es wohl auch unangenehm gewesen, aber nicht jetzt am Spätnachmittag. Auf jeden Fall hatte ich aus Erfahrung gelernt, daß man sich in eine Art von Selbsthypnose versetzen konnte, wenn man den Blick auf irgendeinen Gegenstand in mittlerer Entfernung konzentrierte. Zwei oder drei Stunden kamen einem dann sehr viel kürzer vor.
      Neben dem Wachtposten hing die Fahne der Vereinigten Arabischen Republik schlaff vom weißgestrichenen Fahnen mast, und dahinter trieben drei Männer und ein Junge eine Herde von mehreren hundert Schafen aus der Wüste herein. Die dichte Staubwolke, die die Hufe aufwirbelten, wurde wie Rauch auf das Dorf zugetrieben, und für ein paar Sekunden wehte sogar die Fahne.
      Alles wirkte sehr biblisch, ganz wie im Alten Testament, nur daß einer der Hirten ein Schnellfeuergewehr trug; ich war mir nicht ganz im klaren, was das zu bedeuten hatte.
      Herr im Himmel, war ich ausgetrocknet! Ich schloß die Augen und atmete eine Weile tief durch. Als ich sie wieder öffnete, hatte sich nichts verändert. Der Platz war noch der gleiche, ringsum standen dieselben winzigen Häuschen, alles war unheimlich menschenleer wie zuvor. Die Leute waren vernünftig und blieben zu Hause, solange Husseini sich hier aufhielt.
      Tufik kam mit einem Wasserkanister aus seinem Büro und ging auf mich zu. Schweiß trat ihm aus allen Poren. Es kostete ihn einige Mühe, auf die alte Packkiste zu klettern, die den beiden Wachen als Tritt gedient hatte, als sie mich hochzogen. Aber er schaffte es und senkte mir die Öffnung des Kanisters zwischen die Zähne. Er ließ mich einen kurzen Schluck trinken
    und goß mir das übrige Wasser über den Kopf.
      »Seien Sie vernünftig, wenn er zurückkommt, Mr. Smith. Versprechen Sie mir das. Wenn Sie ihn noch mehr ärgern, wird es für Sie nur schlimmer.«
      Er sah mich besorgt an und wischte sich das Gesicht mit einem schmutzigen Taschentuch ab. Ich war verblüfft. Zunächst einmal hatte er mich ›Mr. Smith‹ genannt, und das ganz bestimmt zum erstenmal. Und zweitens schien er sich Sorgen um mich zu machen. Ich begriff das nicht, aber Husseini kam zurück, bevor ich darüber nachdenken konnte.
      Sein Landrover ließ die Schafherde etwa hundert Meter jenseits des Dorfes auseinanderstieben, dann bremste er vor dem Wachtposten. Husseini stieg aus und kam auf mich zu. In einer Entfernung von etwa zehn Metern blieb er
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