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Nacht ohne Erbarmen

Nacht ohne Erbarmen

Titel: Nacht ohne Erbarmen
Autoren: Jack Higgins
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gelegen, und ich hatte sie nie bemerkt. Ich war verblendet durch meinen Glauben an diesen Mann. Jetzt spürte ich, wie die innere Spannung nachließ. Es war fast, als hätte ich mich von etwas befreit. Eine wilde Freude durchflutete mich.
      Ich bin Stacey Wyatt und sonst niemand! Dieser Gedanke war ein lautes Echo in meinem Kopf.
      Da knackte ein Zweig. Mehrere Dinge geschahen gleich zeitig. Oben vom Dach aus rief eine Stimme etwas in die Nacht, und ich hob einen Stein auf. Ich schleuderte ihn seitlich ins Gebüsch. Mein Freund vorn am Tor taugte nicht viel; er war das Geld nicht wert, das Hoffer ihm bezahlte. Er sprang aus der Deckung und feuerte mehrere Schüsse auf die Stelle ab, wo mein Steinchen gelandet war.
      Ich schoß ihm durch den rechten Oberarm. Mit einem Aufschrei fuhr er herum und ließ den Karabiner fallen. Wir standen einander im Regen gegenüber. Hinter ihm beobachtete uns die Statue einer bleichen, griechischen Göttin. Aber er hatte keine Angst. Vielleicht hatte Hoffer mit ihm doch ein besseres Los gezogen, als er selbst wußte.
      »Wenn du am Leben bleiben willst, dann mach den Mund auf«, sagte ich zu ihm. »Was ist mit Signorina Solazzo?«
      »Sie war den ganzen Tag in ihrem Zimmer eingesperrt.«
      »Und Ciccio? Ist Ciccio bei ihr?«
      »Er war bei ihr.« Er zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Es geht mich auch nichts an. Sie hat das Zimmer mit der vergoldeten Tür im zweiten Stock.« Er preßte die Hand auf seinen Arm, um den Blutstrom zu stoppen. »Ciccio hat mir gesagt, daß Sie und der Franzose tot sind.«
    »Ein Irrtum. Die anderen sind hier?«
    »Ja, irgendwo.«
      Ich nickte. »Hoffer ist tot. Barbaccia hat nun doch mit ihm abgerechnet. Geh jetzt. Was hier geschieht, geht dich nichts mehr an.«
      Er verdrückte sich zwischen den Büschen. Da krachte ein Gewehr. Es war der unverkennbare Ton der A. K. Ein Geschoß riß ein Stück Marmor aus dem Kopf der Göttin. Während ich sofort niederkniete, verschwand oben auf dem maurischen Dachgarten gerade jemand hinter der Schutzmauer.
      Ich rief halblaut: »Ich bin's, Sean – ich, Stacey. Ich komme jetzt hinauf.«
      Ich bekam keine Antwort, aber plötzlich gingen sämtliche Lampen im Garten aus. Wer auf diese kluge Idee verfiel, weiß ich nicht, aber die Dunkelheit paßte mir gut. Ich nutzte sie sofort aus, kletterte über die niedrige Brüstung der Terrasse im Erdgeschoß und betrat durch die offene Fenstertür das Wohnzimmer.
      Im Flur huschten Schatten hin und her. Er war nur von einer einzigen Glühbirne dürftig beleuchtet, aber ich durfte nicht verweilen, denn beim Angriff liegt die einzige Hoffnung auf Erfolg gegen eine Übermacht im Tempo.
      Wie ein Geist schlich ich, dicht an die Wand gedrückt, die Treppe hinauf und dann den Korridor entlang, vorbei an meinem eigenen Zimmer. Dann stieg ich in den zweiten Stock hinauf.
      Es war keinerlei Geräusch zu vernehmen. Ich blieb im Schatten neben der goldenen Tür stehen und überlegte eine Weile. Die nächste Tür war ledergepolstert und ließ sich leicht öffnen. Allem Anschein nach war das Hoffers Zimmer gewesen. Auch von hier aus führte eine Glastür auf die rückwärtige Terrasse hinaus.
      Ich kehrte in den Korridor zurück, drückte mich flach an die Wand und rief leise: »Rosa – bist du da?«
      Laut und deutlich kam ihre Antwort: »Stacey! Lauf, schnell!« Dann hörte ich das Geräusch eines Schlages. Drei Schüsse zersplitterten die Tür.
      Auf Zehenspitzen schlich ich durch Hoffers Zimmer, schob mich über die Terrasse und spähte hinein. Rosa lag auf dem Boden. Sie trug einen Hausmantel. Ciccio stand drüben an der Tür und kehrte mir den Rücken zu. Er war barfuß, trug Hose und Unterhemd und eine Waffe in der rechten Hand.
      Rosa wollte sich erheben, als Ciccio vorsichtig die Tür öffnete. Ich trat ins Zimmer und schoß ihm durch die Hand, als er sich herumdrehen wollte. Er schrie auf. Seine Waffe flog ihm aus der Hand, segelte hinaus auf den Treppenabsatz und rutschte über die Kante nach unten.
      Rosa hatte geweint. Ihr Gesicht war verschwollen. Auch an der Schulter hatte sie blaue Flecken. Das bemerkte ich, als ihr der Hausmantel über die Schulter rutschte und ihren Oberkörper freigab. Mit einer mechanischen Bewegung bedeckte sie sich und sah mich voller Erstaunen an.
      »Stacey, Stacey… du bist es wirklich. Man hat mir gesagt, daß du tot seist.«
      Sie schlang mir die Arme um den Hals und hielt mich
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